Mehr Möglichkeiten für Liebeslieder: Del Amitri aus Schottland zitieren kenntnisreich die Rock-Geschichte

Er könne gar nicht verstehen, warum man soviel Aufhebens um Del Amitri mache, murmelt Justin Currie. Ist das feines schottisches Understatement, um nicht zu sagen Tiefstapelei? Will der Mann provozieren? Oder sucht er fern der Heimat um ein paar Schmeicheleinheiten nach? Na denn: Del Amitri verzeiht man selbst das Formulieren von Selbstverständlichkeiten. Die zum Beispiel, daß es doch ziemlich widerwärtig ist, wenn schwerreiche Pop-Stars, die geschiedenen Frauen Millionen und Mega-Villen hinterherwerfen, Mitleid mit den Erdbebenopfern und Obdachlosen dieser Welt heucheln. Auch wenn Phil Collins kaum länger als originelles Feindbild taugt. «Ich wollte schon immer einen Song mit diesem Titel schreiben“, bittet Currie um Nachsicht, „um zu sehen, ob ich damit durchkomme.“

Der konkrete Anlaß für „Food For Songs“, das nach dem Willen der Plattenfirma ruhig weiter hinten auf dem neuen Album „Twisted“ hätte landen dürfen, war dann der „ziemlich üble“ Unfall eines Freundes, der gar komatös zu werden drohte. Und dessen Freundin, die Currie in einem Anfall von Galgenhumor über den Klinik-Flur zurief: „Wenigstens kannst Du einen guten Song draus machen!“ Currie fand das gar nicht lustig. „Das sagen die Leute öfter zu mir, wenn die Mama stirbt oder die Freundin abhaut.“ Aber er finde das schon „ein bißchen dubios, denn das wahre Leben ist das wahre Leben. Ich verbringe mein Leben nicht damit, nach dem Leiden anderer Leute Ausschau zu halten und kleine Schnipsel dieser Realität in Pop-Songs zu verwandeln. Und schon gar nicht damit, die nächste TV-Katastrophe in seichtes Hit-Material umzumünzen. Currie: „Das muß doch aus der Sicht der Betroffenen die ultimative Beleidigung sein, in dieser verzweifelten Situation zu sein und zu wissen, daß da irgendwo ein kleiner Abschaum hockt und schon die erste Zeile im Kopf hat ‚It was a rainy day in…‘ Fuckoff!“

Wobei Currie aber klar ist, daß er diese Konstellation jetzt auch selbst nochmal in Song-Form ausbeutet. Vielleicht verzeiht man Currie auch deshalb einiges, weil er das, was er tut, weder völlig banalisiert noch höherreden will. Ein Pop-Song ist ein Pop-Song ist ein Pop-Song. Und ein Songschreiber muß heute auch kein Geheimnis daraus machen, welcher Quellen er sich bedient hat. „Wenn Dir erstmal klar wird, daß Du irgendwen beklaust, ist alles einfacher“, lacht Currie, der sich für „Food For Songs“ bei Bob Dylan bedanken könnte.

Die Trio-Konstruktion von „Tell Her This“ verweist hingegen sowohl auf „I’m Not In Love“ von lOcc, als auch auf Cole Porters „Miss Otis Regrets“. Currie: „Mein Lieblings-Song aus dieser Richtung, der das Ganze in Brief-Form gebracht hat Siehst Du, jetzt werd‘ ich doch noch prätentiös. Nein, es gibt nur einfach ein paar mehr Möglichkeiten als „Baby, I love you‘.“

Na also: Justin Currie weiß doch ganz genau, warum man ganz gern ein paar Dinge von ihm wissen möchte.

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