Mission: Impossible

Alle Aufregung umsonst: Tom Cruise als Stauffenberg macht niemandem Angst

Die Debatte war putzig. Da kam ein amerikanischer Filmstar mit 100 Millionen Dollar nach Berlin, um einen deutschen Offizier zu spielen – und sofort brandete schrille Empörung auf. Darf Tom Cruise. der ewig strahlende Action-Held und bekennende Scientologe, denn Claus Schenk Graf von Stauffenberg sein? Und darf seine Crew aus dem kulturlosen Hollywood im Bendlerblock drehen, der heutigen Gedenkstätte, an der Stauffenberg für seine mutige Tat mit dem Leben büßte? Die Filmemacher wollten daraufhin mit Vergleichsfotos nachweisen, dass Cruise zum perfekten Stauffenberg bestimmt wäre. Zum bizarren Höhepunkt der Farce wurde der „Bambi“, den man Cruise spontan verlieh – für Courage, warum auch immer.

Eines ist sicher: Natürlich darf Cruise den Mann spielen, der Adolf Hitler am 20. Juli 1944 eine Bombe unterschob. Und im Bendlerblock konnte er schließlich auch drehen, das durften andere ja auch schon. Fragwürdig waren nur die Beweggründe der Bedenkenträger: Es trieb sie die Sorge um. eine der wenigen Lichtgestalten aus dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte könnte vom Sockel stürzen. Zumal die Deutschen ohnehin kaum Helden haben neben dem alten Germanen Hermann, die ihr Image etwas aufhübschen.

Frank Schirrmacher, die moralische Instanz der „FAZ“. sah keine Probleme und schlug doch psychologisch in die gleiche Kerbe: Cruise als Stauffenberg werde „das Bild von Deutschland in der Welt auf Jahrzehnte prägen“. Das ist eine unsinnige Prognose – wie der Ausspruch von Frank Beckenbauer nach dem WM-Sieg 1990, die deutsche Nationalmannschaft sei auf Jahre nicht zu schlagen, nur heikler. Schirrmachers Satz kann man als die alte Hoffnung verstehen, die Deutschen würden endlich von ihrer Schuld entlastet, weil eben nicht alle Nazis waren. So dient Stauffenberg, der noch in der Nachkriegszeit als treuloser Verräter galt und bis heute strittig gedeutet wird, als Alibifigur; und so wurde ein Hollywood-Film zur Projektionsfläche für eine deutsche Befindlichkeit, bevor die erste Szene gedreht war.

Jetzt ist Bryan Singers „Operation Walküre“ fertig, und wie zu erwarten, war die Aufregung unnötig. Tatsächlich schickt Cruise sein Bild von Stauffenberg als makellosen und selbstlosen Ehrenmann um die Welt. Gleich am Anfang distanziert er sich mit einer Tagebuchnotiz von den „Verbrechen der Nazis“. Stauffenbergs Andenken wird nicht angekratzt, weil man nichts über seine Wandlung, Zweifel. Motivation erfährt. Der Film hat kein politisches Bewusstsein und keine private Ebene, sieht man von kurzen Knutschszenen mit der weinenden Ehefrau ab. Cruise reduziert den Charakter auf die Ikonografie des Helden mit der Augenklappe, er kann auch nicht anders. Bei ihm wird der widersprüchliche Militär zum amerikanischen Macher.

Hier ist alles von Dynamik und Effizienz bestimmt. Singer hat Planung und Ausführung des Attentats als Sprint in 100 Minuten inszeniert. Vor allem beim Scheitern der Machtübernahme zieht er das Tempo mit durchaus spannender Präzision noch mal an. Aber auch hier gilt: Was in Stauffenberg vorgeht, vermittelt kein Satz oder Bild. Dafür verwickelt er ihn in eine kurze Schießerei, immerhin ist dies ein Action-Thriller, bevor er an die Wand gestellt wird. Man könnte Cruises Stauffenberg als Actionpuppe vermarkten. Vielleicht sagen dann einige Kids irgendwo in der Welt: Cool, dieser Deutsche. Vielleicht merken sie bei der Machart des Films aber gar nicht, dass er ein historisches Ereignis zeigt.

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