Mit trashigen Popschlagern verteidigen die deutsch-französischen Stereo Total das Naive in der Musik gegen Perfektion

And here are the results of the German Jury: Stereo Total, ten points. Denn ihre neue Platte „Monokini“ ist wundervoll, also total bien und wirklich charming. Wo andere Europa nur propagieren oder die in der Boulevardpresse so beliebte „Angst vor dem Euro“ haben, praktiziert das Berliner Duo den europäischen Gedanken ohne viel Brimborium. Daß Bretzel Göring und seine französische Partnerin Francoise Cactus dabei nicht staatstragend sind, versteht sich von selbst. Mit „Arte“ haben sie wenig gemein, obwohl es dort ebenfalls totales Stereo gibt: den deutsch/französischen Zweikanalton.

Kulturgut beider Länder bringen Stereo Total dort zusammen, wo es am wenigsten zusammengehört: bei der glitzernden, naiven, oft billigen Unterhaltung. Seien wir ehrlich: Was haben Serge Gainsbourg und Bernd Clüver gemeinsam? Was verbindet Plastic Bertrand und die NDW? Wo liegen Parallelen zwischen Charles Aznavour und Udo Jürgens?

Viele Fragen, die man mit brien beantworten müßte, gäbe es nicht diese niedliche, trashige Musik. Francoise singt mit sorgfaltig kultiviertem Akzent Zeilen wie die hier: „Ah ah Liebling, ich mag alles, was du machst/ Und wenn du nichts machst, dann mag ich, wie du lachst.“ Manchmal wechselt sie ins Französische – oder bedient sich frei bei anderen Sachen. Dazu hat Brezel eine Art Disco-Hektro-Sound entwickelt, der wie vom Diktiergerät klingt „Es war gar nicht einfach, es so rauschig hinzukriegen“, erzählt er. Stereo Total hatten eine Förderung des Berliner Senats erhalten: Eine Woche durften sie das stadteigene Studio benutzen, in dem ein alter Tontechniker seit Jahren die verschiedensten Aufnahmen produziert. „Ein guter Typ, er hatte aber Probleme mit unseren Klangvorstellen. Er versuchte immer, alles sauber hinzukriegen. Wir haben seine Regler dann wieder verstellt.“

Als Bretzel und Francoise sich kennenlernten, gehörte er zur Low-Fi-Bastelgruppc Sigmund Freud Experience, während sie in der Indie-Band Lolitas bereits lokale Popgeschichte gemacht hat. Als Sonny und Cher von Kreuzberg brachten sie ein bißchen Charme in die humorfreie Berliner Musikszene. Das erste Album „Oh Ah Oh“ kam 1995 gerade recht zur Easy-Listening-Hysterie.

Diverse Mitmusiker wurden bisher verschlissen. „Angie Reed malte eigentlich neo-expressionistische Gemälde“, erzählt Francoise. „Sie hat für uns Baß-Spielen erlernt.“ Dazu grinst sie stolz. Stereo Total wollen keine Musiker, die technisch brillieren und so alles kaputtspielen würden. Die Naivität der Musiker muß immer neu erzeugt und gegen gute Musiker und professionelle Töntechniker verteidigt werden. „Ich lege viel Wert auf Klänge und Nuancen“, bestätigt Göring den Verdacht, es komme ihm auf Camp-Effekte an.

Stereo Total dehnen Verschrobenheiten und Experimente der Schülerzeit bis über die 30 aus, haben ungebrochenen Spaß an Nacktfotos, an Witzchen über große Stars, Pseudonyme und Kosenamen. Et pouriquoipas? Stereo Total haben die kleine Chance, jemals am Grand Prix D’Eurovision teilzunehmen: Ralph Siegel, übernehmen Sie! Oder haben sie keinen umor?

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