Nach dem frühen Tod ihres Bassisten starten die CUCUMBER MEN mit Fun-Texten und Funk-Rock noch mal kräftig durch

Beim Thema heimliche Leidenschaften rutscht Heiko Franz, Gitarrist der Cucumber Men, nervös auf seinem Stuhl hin und her. Sänger Justin Balk hat soeben die gemeinsame Vorliebe fiir Kraftsport zu Protokoll gegeben. Nach der Parole „Na, wieder pumpen gehen“ arbeitet sich die Zweidrittelmehrheit der Gurkentruppe in der raren Freizeit an eisernen Gerätschaften ab. „Das ist wie beim Besuch eines Pornokinos“, findet Balk. „Es ist einem peinlich, gesehen zu werden, und trotzdem geht man wieder hin.“ Derart geoutet, fühlt sich Franz bemüßigt, hastig den Kraftsport auch als Ausdruck einer musikalischen Attitüde einzuordnen: „Der Sänger von Danzig verfügt ja nicht über so einen gestählten Körper, weil er nur Fußball spielt.“

„Früher waren wir besser“ meint nicht die Kondition der aus Ütersen (nordwestlich von Hamburg) stammenden Band. Mit diesem selbstironischen Albumtitel kamen sie 1996 gleich zu Beginn ihrer Karriere (da noch mit dem inzwischen verstorbenen Bassisten Boris Büchner) den Schmähungen notorischer Nörgler zuvor, sie seien bloß ’ne weitere Funk-Rock-Combo. Vor allem ihre satirischen Texten grenzen sie von Crossover-Bands wie den Red Hot Chili Peppers oder H-BlockX ab. Ihr kauziger Songtitel „Ich kenn den Bruder dessen Freundin hat ’ne Schwester deren Vater früher mal Fußballtrainer war“ wurde durch zahlreiche Konzerte gar ein formidabler Nischen-Hit.

Auf „Turbo“, dem zweiten Album des um Nico Wirtz verstärkten Trios, findet sich wieder ihre humorige Haltung – gegenüber dem Popzirkus („Party Bla Bla Bla“) etwa und der Oberflächlichkeit vieler Leute in „Egal“. Dieses Stück ist auch eine (Trotz)-Reaktion auf Büchners unerwartet frühen Tod, der fast zum Ende der Band geführt hätte. „Der Verlust von Boris hat uns aus der Bahn geworfen. Nach einer Besinnungspause war aber klar, daß wir unbedingt weitermachen wollten“, so Heiko. Das spürt man auf dem programmatisch anmutenden „Turbo“-Album. Mit durchgetretenem Gaspedal rauschen sie aus der Boxengasse, bevor ein trockenes Funkriff in „Guten Morgen“ das Steuer herumreißt. Ein Stück, mit dem sie übertrieben freundliche Begrüßungsrituale am Arbeitsplatz ad absurdum führen. Den Höhepunkt der Platte bildet anschließend ihre unverfrorene Glitzerkugel-Hommage „Disco Montezuma“. Das klingt, als hätte Georgio Moroder Sex mit Gene Simmons von Kiss gehabt. „Du mußt genau wissen, was einen bestimmten Stil ausmacht“, sagt Justin. „Sonst wird es eine oberflächliche Kopie und damit Klamauk.“ Womit die Cucumber Men so gar nichts am Hut haben. Aufgrund ihrer launig moderierten Konzertauftritte und der überproportionalen Fun-Texte werden sie zwar häufig in die Nähe der Arzte gerückt. Doch bei diesem Vergleich hört für sie der Spaß auf.

Wenig Freude hat auch der Hörer mit der zweiten Hälfte der Platte, die trotz (oder gerade) wegen der zunehmenden Härte an Format verliert. Beliebigkeit macht sich breit. Und lediglich der Song „Lars, der Hase“ demonstriert noch einmal die wahren Wort- und Klangqualitäten der Cucumber Men, die mit „Turbo“ immerhin das verflixte zweite Album gut überstanden haben.

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