Nach Jahren als „kleiner Diktator“ arbeitet Vic Chesnutt jetzt gern mit verschiedenen Musikern zusammen

Eigentlich wollte Vic Chesnutt dieses Mal etwas ganz Anderes machen. Nach seinen Folk-Solo-Alben und dem improvisierten Rock, den er mit den Kollegen von Widespread Panic als Brute aufgenommen hatte, schwebte ihm eine Überraschung vor: „etwas Kunstvolleres, weniger Pop, ganz minimalistisch. Ein moderner klassischer Sound“. Er lacht heiser auf: „Naja, und dann änderte sich nach und nach alles, und es wurde doch ein Folkrock-Album mit Band, aber das ist in Ordnung.“

„Silver Lake“ heißt das Ergebnis, benannt nach dem Stadtteil von Los Angeles, in dem Chesnutt in gerade mal zwei Wochen die elf Songs einspielte – mit Musikern, die er vorher nie gesehen hatte. Produzent Mark Howard stellte sie dem Songwriter vor – der schon ein bisschen skeptisch war. Am Anfang habe er einfach seinen Stammproduzenten John Keane und dessen Studio in Athens/ Georgia vermisst, gibt Chesnutt zu immerhin ist er da zu Hause und seit Jahren an das gemütliche Arbeiten gewöhnt. „Aber ich war bereit, es in L.A. und mit neuen Leuten zu versuchen. Bei Brute habe ich gelernt, einer Band zu vertrauen. Früher, bei den Bands, die ich in den 80er Jahren hatte, war ich ein kleiner Diktator, deshalb war ich dann in den 90ern auch lieber allein unterwegs. Aber jetzt vergleiche ich die Entstehung von Platten gern mit der von Filmen: Jeder hat seinen eigenen Part, aber man muss schon zusammenarbeiten, damit es funktioniert. Ich gehe nicht mehr davon aus, dass ich immer alles am besten weiß. Ich weiß im Grunde gar nichts, aber das gefällt mir.“

Die neue Leichtigkeit schlägt sich auch in Chesnutts Selbstverständnis als Künstler nieder – heutzutage fragt er sich nur noch selten, warum überhaupt jemand seine Lieder hören will. Der wunderbare Abschluss-Song „In My Way, Yes“ beschreibt, wie er selbst seine Karriere sieht. Einerseits habe er all die Anerkennung gar nicht verdient: „I never thought I’d ever have a life like this.“ Andererseits hat er, auf seine Art, doch viel dafür getan nicht zuletzt überall Konzerte gegeben, so mühsam das Reisen auch für ihn ist. Im Herbst macht er sich wieder auf nach Europa – mit einer neuen Band, die er sich in seiner Heimatstadt zusammengesucht hat. „Hier gibt es so viele Musiker, da hat man freie Wahl. Manchmal bedauere ich nur, dass ich durch das viele Touren gar nicht mehr das Gefühl habe, in Athens wirklich zu Hause zu sein. Selbst wenn ich ausnahmsweise da bin, gehe ich kaum noch in Bars oder zu Konzerten. Wenn man gerade mal frei hat, tendiert man eben dazu, den Arbeitsplatz zu meiden.“

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