Nadja Abd el Farrag: Thomas Anders mit rustikaler Diagnose
War es das mangelnde Selbstbewusstsein? Der Modern-Talking-Sänger mit einer küchenpsychologischen Deutung.
Binnen weniger Tage hat sich die Todesnachricht von Nadja Abd el Farrag zu einer Erklärmaschine des deutschen Pop-Mainstreams früherer Jahrzehnte entwickelt. Für die „Taz“ sind „Presse und Patriarchat schuld“ an ihrem Absturz mit zu viel Alkohol und späterer Leberzirrhose. Die „Süddeutsche Zeitung“ spricht von einem „öffentlichen Zerrbild“.
Die Spiralen der Erinnerung ziehen ihre Kreise. In diese hat sich nun auch Thomas Anders eingetrudelt, der auf seinem offiziellen Instagram-Account ein Schnappschuss von Abd el Farrag und seiner zweiten Frau Claudia Hess postete. Nach einem „Rest In Peace“ nebst Emoji heißt es dort: „Wir bedauern sehr ihren, viel zu frühen Tod. (..) Ein seltenes Foto von uns Dreien aus vergangenen Zeiten“.
In den Kommentarzeilen wird es deutlicher: „Eine öffentlich permanent verspottete Frau, die anstatt Mitgefühl nur Hohn und weitere Demütigung erleiden musste. Ihr Schicksal sagt mehr über ihr Umfeld, als über sie selbst aus!“
Thomas Anders: „Sie war ein lieber Mensch“
In einem Interview mit „Bild“ macht Anders dagegen nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse allein verantwortlich für das Drama. „Naddels Tod tut mir unendlich leid. Ich habe sie als Mensch sehr geschätzt“, sagte er. Anders hatte Abd el Farrag Ende der 1990er-Jahen kennengelernt, als es zu einer Wiederannäherung nach dem erbitterten Streit mit Modern-Talking-Bandmate Dieter Bohlen gekommen war.
Der Musiker singt dabei das hohe Lied der Selbstverantwortung: „Sie hätte viel selbstbewusster sein dürfen, als sie es sich zutraute. Sie war ein lieber Mensch, aber leider zu schwach.“ Und wie ein Mentaltrainer alter Schule: „Sie hatte leider kein Durchsetzungsvermögen und keine eigene Meinung. Das war ihre Schwäche.“
Thomas Anders selbst hat in den 1980ern und 1990ern viel mediale Prügel erfahren. Das begann mit dem Dauerspott über die emblematische „Nora“-Kette, die er in seinem 2011er-Buch „100 Prozent Anders“ als selbstironische Aktion mit seiner ersten Frau erklärte. Das ging weiter dem Song der Goldenen Zitronen „Am Tag als Thomas Anders starb“ (1986, auf der Melodie von „The Night They Drove Old Dixie Down“). Und es gipfelte in der Abkanzlung des Musikkritikers Martin Brem als „Schoßhündchen“ und „höhensonnengegerbte Sangesschwuchtel“.
Anders, der seit 2000 immer wieder auf die Bühne zurückkam und diverse Karriere-Moves hinlegte, ist wohl ein Anhänger der archaischen Weisheit „was uns nicht umbringt, macht uns stark“. Ein Merksatz, auf den Nadja Abd el Farrag nicht zurückgreifen konnte. Sie lebte mit Dieter Bohlen in der legendären Villa in Tötensen als eine Art Landlady.
Über die 2001 endgültig zerbrochene Beziehung sagte sie einmal: „Ich habe den ganzen Haushalt geschmissen. Das volle Programm mit allem, auch die Tiere.“ Im späteren (Karriere-)Leben ging der Moderatorin und Sängerin die Orientierung flöten. Eine Rache von Tisch und Herd.