Nebelwald

Rock'n'Roll-Fotograf Mick Rock hat viele berühmte Syd-Barrett-Bilder gemacht - er war einer der Wenigen, die der Künstler an sich heranließ

Mister Rock, Sie waren seit frühen Cambridge-Tagen ein enger Freund von Syd Barrett. Was ist Ihrer Meinung nach die größte Fehlinformation, die über ihn kursiert?

Dass er ein depressiver Mensch gewesen sein soll. Wenn ich die vielen Fotos anschaue, die ich von ihm gemacht habe – Sie wären überrascht, wenn Sie sehen würden, auf wie vielen davon er lacht! Er war ein ziemlich fröhlicher Mensch, und verrückt war er ganz bestimmt nicht, auch wenn viele Leute das glauben. Exzentrisch wäre der passendere Ausdruck. Er hatte sonderbare Anwandlungen, obwohl ich selbst diese Geschichten nur aus zweiter Hand kenne: wie er zum Beispiel eine Freundin in sein Schlafzimmer eingesperrt und nicht mehr rausgelassen hat. Einige Episoden sprechen dafür, dass er ein instabiler Charakter war. Andererseits habe ich genug Leute im Rock’n’Roll-Business erlebt, die viel, viel verrückter waren als er.

Hatten Sie den Eindruck, dass Syd bemerkt hat, wie die Drogen ihm geschadet haben?

Er hat das nicht so gesehen. Außerdem hat er ja Mitte der 70er Jahre tatsächlich aufgehört, Drogen zu nehmen, soweit ich weiß. Ich würde sagen: Wenn er nicht so konsequent gewesen und seine Karriere abgebrochen hätte, hätte er das nicht mehr lange überlebt. Er hätte den Druck nicht ausgehalten, und zumindest das wusste er genau. Man darf nicht vergessen, dass er ja erst vor wenigen Wochen gestorben ist. Seine Schwester hat erzählt, dass er alles andere als ein Pflegefall gewesen war, dass er beim Einkaufen Schwätzchen gehalten und mit dem Rad herumgefahren ist. Er hat natürlich ein extrem zurückgezogenes, einsames Leben geführt, aber das tun doch viele.

Der Druck, von dem Sie sprechen – woher kam der? von der Plattenfirma, weil sie Hitsingles von ihm wollte?

Nein, sicher nicht von der Plattenfirma. Eher vom Underground, der damals in London zu einer bedeutenden Strömung wurde, mit den politisch Radikalen und den Acidheads und Rock’n’Rollern. Syd Barrett war ihr Idol, er hatte einen dunklen Glamour um sich herum wie kein anderer. Wenn man 1967 in den „UFO Club“ ging, gab es da viele Bands, aber Pink Floyd waren die absoluten Stars, die Könige der Psychedelic-Szene. Und das zu einem Zeitpunkt, als die anderen drei Mitglieder der Gruppe noch nicht mal LSD probiert hatten. Syd hat das angedeutet. Auf jeden Fall stand er im Mittelpunkt, und das war sicher ein enormer Druck.

Hat er den Ruhm achtlos weggeworfen?

Der hat ihm nichts bedeutet. Die Leute denken, dass er schon deshalb verrückt sein muss, weil er damals alles hatte, weil er theoretisch einer der größten, erfolgreichsten Rock’n’Roller aller Zeiten hätte werden können, mit seinem Talent und seinem guten Aussehen. Aber ich glaube, dass er irgendwann gemerkt hat, wie wenig Freude ihm die grenzenlose Aufmerksamkeit des Publikums machte. Dass er den großen Traum einfach aufgegeben hat, den damals so viele Leute träumten – das war vielleicht gar nicht so verrückt. Vielleicht war das sogar das Vernünftigste, das Syd je getan hat.

Als sein erstes Soloalbum „The Madcap Laughs“ fertig war, haben Sie die Coverfotos geschossen.

Er war eben von seiner Wohnung in South Kensington nach Earls Court umgezogen. Syd hatte damals nicht mehr viel Besitztümer – man sieht es auf den Bildern, sein Zimmer ist fast leer. Beim dritten Versuch hatte ich es geschafft, ihn zu Hause anzutreffen. Da war er gerade dabei, den Fußboden zu streichen, aber weil er vorher nicht gekehrt hatte, klebten Müll und Zigarettenkippen in der trocknenden Farbe. Das Mädchen auf dem Cover ist Iggy, die bei ihm wohnte. Sie war nicht explizit seine Freundin, sie hat vielleicht mit ihm geschlafen, das waren ja andere Zeiten damals. Sie hat sich auch nicht für die Fotos ausgezogen, sie war schon nackt, als sie die Tür öffnete. Aber über so was hat man sich damals ja nicht groß gewundert.

Wann haben Sie Syd das letzte Mal gesehen?

1974 oder ’75. Obwohl er damals schon zurück zu seiner Mutter nach Cambridge gezogen war. kam er oft nach London. Er rief nie vorher an, er stand einfach vor der Tür. Wir tranken einen Tee zusammen, rauchten einen Joint, hörten ein bisschen Musik, und dann ging er wieder. Beim letzten Mal wirkte er ziemlich zerstreut, und als ich ihn fragte, was er so mache, wusste er nicht, was er sagen sollte. Er war in irgendeiner psychischen Sackgasse, aus der er nicht mehr rauskam. Yoga hätte ihm vielleicht geholfen, aber dafür konnte ich ihn auch nicht begeistern. Indirekt habe ich allerdings 2002 noch etwas von ihm gehört. Da hat er 320 Exemplare meines Bildbandes signiert. Sein Neffe hat mir ausrichten lassen, dass Syd meine Fotos und das Buch sehr mochte. Das war die letzte Botschaft von ihm.

Angst vor posthumen Platten mit Archiv-Schätzen brauchen wir bei Syd Barrett auch nicht zu haben.

Nein, da existiert ganz sicher nichts. Obwohl Leute ihn ja jahrelang bekniet haben, etwas Neues aufzunehmen. Vor ein paar Jahren habe ich mal mit Bryan Morrison von Syds Musikverlag zu Mittag gegessen, und während unseres Gesprächs habe ich in irgendeinem Zusammenhang gesagt: „Armer Syd!“ Bryan ist aufgesprungen und hat gerufen: „Armer Syd? Der hat im letzten Jahr zweieinhalb Millionen Pfund verdient!“ Sogar die Soloplatten haben ihm angeblich eine Viertelmillion im Jahr an Tantiemen gebracht, aber er hat praktisch nichts davon ausgegeben. Das ist die große Ironie: wie man nichts tut und trotzdem viel Geld dabei verdient.

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