Nicht versöhnt

Pech, dass Christian Klar nicht so sexy aussieht wie Che Guevara: verwegener Vollbart, die kecke Baskenmütze mit dem roten Stern, das Gesicht umrahmt von langen schwarzen Locken und im Mundwinkel der obligatorische Zigarillo. So einen Kerl trägt man heute gern auf dem neonfarbenen XS-T-Shirt in die Disco. Die zweite Generation der RAF erscheint dagegen so sexy wie die Buchhalter-Brigade Erich Honecker.

Vorbei sind die vom revolutionären Zeitgeist infiltrierten Zeiten, als Andreas „der Lude“ Baader den jungen Belmondo imitierte, Gudrun Ensslin die sexy Zicke gab und Astrid Proll so cool war, dass sie nach ihrer Haftentlassung gleich bei „Tempo“ eingestellt wurde. Ulrike Meinhof – die Madonna des deutschen Terrors – wurde noch letztes Jahr von Elfriede Jelinek mit einem Theaterstück bedacht. Doch zum 30. Geburtstag des „deutschen Herbstes“ planen Bernd Eichinger und „Spiegel“-Chef Stefan Aust jetzt den ganz großen RAF-Nostalgie-Knaller: die Verfilmung von Austs „Der Baader-Meinhof-Komplex“. Nach den sensiblen letzten Stunden im Führerbunker hat der Super-Produzent nun offenbar Lust auf Verfolgungsjagden im BMW. „Ich habe die Dinge als junger Mann hautnah erlebt. Mir ist das Thema sehr nahe“, hat er „Bild“ verraten. Freuen wir uns also auf Moritz Bleibtreu und Martina Gedeck.

Christian Klar hat nicht mal einen Song bekommen. Bloß ein Praktikantenplatz am Berliner Ensemble wurde ihm von Claus Peymann in Aussicht gestellt. Doch dafür hätte der letzte Mohikaner des Konzepts „Stadtguerilla“ erst einmal frei kommen müssen. Bundespräsident Köhler war zunächst ja nicht abgeneigt, doch nachdem Klar im Januar eine Grußbotschaft an die Rosa-Luxemburg-Konferenz geschickt hatte, schäumte es in den Medien. Westerwelle, Beckstein, Söder und all die üblichen Verdächtigen melden sich zu Wort und forderten jene gnadenlose Härte, die man bei der Bestrafung alter Nazis bisher immer so schmerzlich vermisst hat. Ist es denn – vom mangelnden Sprachgefühl abgesehen – tatsächlich so schlimm, von „der Niederlage der Pläne des Kapitals“ zu träumen, und davon, „die Tür für eine andere Zukunft aufzumachen“? Köhler knickte ein.

Grob gesehen gibt es heute zwei Arten von Haltung gegenüber der RAF. Die jugendlich liberale Variante verkörperte Smudo, als er unlängst mit Harald Schmidt „Nazi oder RAF“ spielte. Der aufgeräumte Hobby-Pilot aus Stuttgart erinnerte sich noch lebhaft an die schwäbische Trutzburg Stammheim und sagte sinngemäß: „Eigentlich fanden wir die RAF damals saucool.“ Wie bitte? Hatten wir Smudo nicht immer für einen FDP-Wähler gehalten? Aber in der Post-Prada-Meinhof-Ära geht es nicht mehr um politische Haltungen, sondern um das Besetzen von Zeichen, Symbolen und Posen – je radikaler, desto hipper. The Clash trugen ihre Brigade-Rosso-T-Shirts noch mit einer altmodisch subversiven Gesinnung – obwohl der Schockeffekt sicher auch damals schon eine große Rolle spielte. Auch die provozierende Idee, ein Plattenlabel „Buback“ zu nennen, stand noch in einer gewissen Sponti-Tradition.

Doch irgendwann ist der rasende Güterzug der RAF-Mythologisierung dann aus den Gleisen gesprungen: Modestrecken, schlechte Filme und – als klebriges Sahnehäubchen – Erin Cosgroves Kitschroman „Die Baader-Meinhof-Affäre“. Dass Stefan Raab kürzlich den „Superstar“-Kandidaten Max Buskohl im Stil des berühmten Schleyer in der deutschen Debatte um die RAF, Klar und Buback geht es längst nur noch um das Besetzen von Zeichen, Haltungen und Symbolen Fotos abbildet, mit der Aufschrift „Seit 196 Tagen Gefangener von RTL“, ist dann auch schon piepegal.

Doch in Redaktionen der großen Zeitungen und bei den Parteien findet man das alles überhaupt nicht witzig. Als wäre die RAF nie ein Teil der deutschen Linken gewesen, wird schon lange nicht mehr nach Kontext, Ursachen und Gründen für den Kampf der „6 gegen 60 Millionen“ gefragt, sondern eine Art deutsche Variante von al-Qaida an die Wand gemalt: verblendete Killer, die wie die Schurken in James-Bond-Filmen über keinerlei menschliche Regungen verfügen und ihr Leben einer irrsinnigen Idee gewidmet haben. Und das 30 Jahre nach dem deutschen Herbst und neun Jahre nach Auflösung der RAF. Ein Alt-Nazi wie der furchtbare Filbinger darf dagegen bis zu seinem Tod Ehrenvorsitzender der CDU Baden-Württemberg bleiben. Kommt wohl darauf an, wen man umgebracht hat und in welchem Milieu man verkehrt.

Als einzig anständige und aufrechte Figur in diesem urdeutschen Schmierentheater erscheint einem Michael Buback. Der Sohn des 1977 ermordeten Generalbundesanwalts wird getrieben von der verständlichen Suche nach dem Mörder seines Vaters – und verhält sich dabei so menschlich und christlich wie nur wenige Politiker, die dieses Wort im Namen führen.

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