
Die Fantastischen Vier: Nicht wie unsere Alten!
Kaum eine Band wirkt deutscher als die Fantas – und trotzdem so sympathisch. Wie machen die das?

Wir befinden uns in einer Art Zwischenzustand. Noch ist nicht alles verloren, aber der Abgrund schon zu sehen. Die Bundestagswahl steht kurz bevor, als ich diese Kolumne schreibe, und die Aussichten, einen sympathischen Kanzler zu bekommen, liegen unter null. Das ist nichts Neues, und doch wäre es so schön gewesen, wenn mal jemand das Aushängeschild Deutschlands geworden wäre, dem man abnimmt, dass er wirklich das Beste für Land und Leute will, sogar für den gesamten Planeten. Wenn also bald Friedrich Merz an der Spitze der deutschen Politik steht und Angst und Schrecken verbreitet, dann können wir uns ein bisschen damit trösten, dass zumindest einige der erfolgreichsten deutschen Popstars auch nach Jahrzehnten Ruhm und Reichtum noch sympathisch wirken. Nein, nicht Rammstein! Jetzt auch mal nicht Die Toten Hosen, obwohl es bei denen auch stimmt. Es geht um Die Fantastischen Vier.
„Die Welt ist schlecht, jetzt echt“
Zu ihrem 35-jährigen Bestehen gab es kürzlich eine Dokumentation und einen Podcast. Ich entdecke die Fantas sowieso regelmäßig wieder, weil ich auf meinem iPhone häufig einen so amüsanten wie wahren Wut-Song suche, wenn alles nervt: „Du mich auch“ (von „Fornika“, 2007). Da brüllt Smudo gleich zu Beginn: „Du kannst glauben, lieben oder hoffen/ Irgendwann ist jeder Arsch offen/ Du hattest recht, die Welt ist schlecht, die Welt ist schlecht, die Welt ist schlecht, die Welt ist schlecht/ Jetzt echt.“
Die Band schont sich selbst in dem Lied auch nicht, fragt nach dem Sinn des ewigen Weitermachens und der Furcht vor der Wirklichkeit: „Warum wende ich mich nur dem zu, was mir die Ängste nimmt?/ Warum bin ich genau das, was ich versuche nicht zu sein?/ Warum ist die größte Angst, man sei allein?“ Die meisten in unserem Alter sind von traumatisierten Kriegskindern erzogen worden, das könnte einer der Gründe sein. Wie ein Mantra wiederholen sie den Wunsch „Wir werden nicht wie unsere Alten“ – um am Ende festzustellen, dass es leider vielleicht doch so ist. Nun kenne ich die Eltern von Smudo, Thomas D, Michi Beck und And.Ypsilon nicht, aber ich schätze, etwas unterscheiden sie sich schon. Zum Beispiel haben die Söhne sich getraut, etwas anzufangen, das in Stuttgart damals bestimmt nicht nach großer Karriere klang: deutschsprachiger Rap.
Man kann es blöd finden, dass Die Fantastischen Vier schon immer gewiefte Geschäftsleute waren und heute unter anderem Werbung für Bosch machen. Sie haben uns nie versprochen, dass ihnen Geld nicht wichtig ist. Sie haben überhaupt nie vorgegeben, etwas zu sein, das sie nicht sind. Sie sind halt „from the German Mittelstand“.
Die Fantastischen Vier wirken wie Schulfreunde
Schon als ich Smudo das erste Mal getroffen habe, hatte ich das Gefühl, mich neben einen alten Schulfreund zu setzen – nicht nur wegen des süddeutschen Akzents. Sie strahlen eine freundliche Verlässlichkeit aus, sie sind fleißig, und selbst Thomas D hat bei aller Träumerei beide Füße fest auf dem Boden. Die Fantas sind vielleicht die (west-)deutscheste aller deutschen Bands – und das bei gleichzeitigem Fehlen von Aggression. Selbst „Du mich auch“ entspringt ja keiner Negativhaltung, es wütet nur gegen den Stillstand: „Es ist nicht, woher man kommt/ Es ist, wohin man geht!“ Die „maskuline Energie“, die in den USA gerade wieder so gefragt ist, geht ihnen ab, obwohl sie so normale Heterotypen sind. Dafür haben sie noch viel kreative Energie übrig. Wäre schön, wenn sich mehr Leute daran ein Vorbild nehmen würden.