Das passiert, wenn eine KI „The Riddle“ enträtseln will

Zugegeben: Nik Kershaws 80er-Hit gibt Rätsel auf. ChatGPT bringt aber auch kein Licht ins Dunkle.

„Near a tree by a river/There’s a hole in the ground/Where an old man of Aran/Goes around and around/And his mind is a beacon/In the veil of the night/For a strange kind of fashion/There′s a wrong and a right/But he′ll never, never fight over you“. Der Refrain von „The Riddle“ dürfte vielen Menschen, die in den 80ern aufgewachsen sind oder den Hit-Playlists der Radios folgen, in den Ohren klingen.

Der Song ist einer der erfolgreichsten von Nik Kershaw und trägt schon in seinem Titel stolz vor sich her, dass die Lyrics, nun ja, nicht so sonderlich klar zu verstehen sein sollen. Ob es sich dabei wirklich um ein zu lösendes Rätsel oder einfach um einen gut zusammengeschriebenen Quatsch-Text in Dada-Manier handelt, beschäftigte schon frühere Generationen. Kershaw selbst machte früh den Deckel drauf und sagte vor vielen Jahren, dass all das nur lustiger Unsinn ist.

Bedeutung von „The Riddle“? Unklar!

Aber Künstler sagen ja gerne etwas, um ihr Publikum in die Irre zu führen. Und so wird bei Google natürlich doch weiter mit den Schlagwörtern „The Riddle“ und „Bedeutung“ oder „Interpretation“ gesucht. Aber wozu noch umständlich suchen, es gibt doch jetzt genügend KI-Anwendungen, die einem das umständliche Klicken und Durchforsten ersparen. Meint man zumindest, bis man etwa ChatGPT zu „The Riddle“ befragt.

„’The Riddle‘ von Nik Kershaw ist ein Song, der viele Interpretationen zulässt, da er metaphorisch und abstrakt ist“, heißt es da gleich in der Einleitung der am 01. März ausgespuckten Antwort. Was würde ein Deutschlehrer unter solche Bemerkungen in einem Aufsatz mit Rotschrift schreiben? „Klartext bitte!“

ChatGPT weiter nebulös: „Die Texte beschreiben eine Reihe von metaphorischen Bildern und Rätseln, die darauf hinweisen könnten, dass das Leben selbst ein Rätsel ist, das wir zu entschlüsseln versuchen.“ Das klingt schon besser, fast philosophisch. Ein Song als Rätsel, der auch so heißt, spricht von der Rätselhaftigkeit des Lebens (und der Popmusik, die diese Rätselhaftigkeit erfasst – oder macht sie sich darüber lustig?) und der manchmal auch unterhaltsamen Notwendigkeit, sie zu lösen. Ein bisschen Meta ist das, vielleicht gar eine 4 von 10 auf der Richard-David-Precht-Skala.

Diese anstrengenden existenziellen Fragen

„Einige Interpretationen deuten darauf hin, dass der Song von der menschlichen Suche nach Bedeutung und Verständnis in einer komplexen Welt handelt, während andere auf persönliche Beziehungen oder sogar existenzielle Fragen hinweisen könnten“, lässt uns die KI weiter wissen. Rätsel verdeutlichen die Suche nach Bedeutung und der Suche nach Verständnis, wird jetzt herausgestellt. Das landet irgendwie in einem interpretatorischen Zirkel. Brauchen wir „The Riddle“ also gar nicht zu interpretieren, weil es schlicht die Notwendigkeit der Interpretation symbolisiert? Und was ist mit persönlichen Beziehungen und existenziellen Fragen gemeint?

Das Video zum Song erinnert ja an Alice im Wunderland (Sie wissen schon: Dem Kaninchen in den Bau folgen, das Hinterfragen der sittlichen Logik der Erwachsenen) und den Batman-Schurken mit dem gleichen Namen, der wiederum schon im Comic permanent diese Alice-Rätsel des verrückten Hutmachers zitiert. Welche existenziellen Fragen stellt denn nun der Song?

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Vielleicht etwas Textanalyse. ChatGPT dreht auf und scheint selbst verwirrt: „Der Refrain des Songs, ‚Tell me why I don’t like Mondays‘ („Sag mir, warum ich Montage nicht mag“), könnte eine Anspielung auf die Monotonie und Schwierigkeiten des Alltags sein, oder es könnte sich auf ein spezifisches Ereignis beziehen, das der Sänger erlebt hat.“ Das sind doch die Boomtown Rats, völlig anderes Jahrzehnt, fünf Jahre früher erschienen. Okay, womöglich wird nach der Bedeutung des Lieds noch viel öfter gesucht, aber er hat mit Kershaw doch so gar nichts zu tun. Anscheinend ist die KI bei Interpretationsanfragen zu Blödsinnstexten doch etwas überfordert.

KI erläutert Probleme, in dem es ihre Problemhaftigkeit herausstellt

Immerhin gibt es den in diesem Zusammenhang etwas unfreiwillig komischen Abschlusshinweis, dass „die Bedeutung des Songs offen für die Interpretation des Hörers“ bleibt. Oder anders ausgedrückt: Die Maschine mag und kann da auch nicht weiterhelfen. Sie beantwortet die Frage stets damit, dass es viele Antworten gibt.

Was lehrt uns das alles? Dass KI mit seinen technischen Möglichkeiten den Weltuntergangsdiskursen, die sie seit einigen Monaten erzeugt, noch weit hinterher hinkt. Dass sie etwas hilflos stets auf die Notwendigkeit hinweist, dass alles etwas bedeutet, aber dass man keine eindeutige Lösung finden könne. Oder die Daten im Netz der KI keine folgerichtige Antwort liefern wollen. Sie kommen ja immer noch von Menschen, und die sind die rätselhaftesten Tiere von allen.

Klar, es geht ja um Interpretation. Aber hat man dann nicht doch wieder den Deutsch- oder in dem Fall Englischlehrer vor Augen, der von begründeten Urteilen schwadroniert, die sich in einer Deutung ablesen lassen müssen? Es bleibt verwirrend. Vielleicht geben wir der KI noch etwas Zeit. Wenn Nik Kershaw sie schon vor Rätsel stellt, was ist dann erst mit Bob Dylan.

Und was ist nun mit richtig komplizierten Lyrics?

Ach, das können wir ChatGPT ja auch mal fragen: Wer schreibt die komplexesten Lyrics der Rockmusik? Mit den Antworten lassen wir Sie mal allein – mit dem Hinweis in eigener Sache, dass sie die tiefgründigsten Antworten auf die großen Fragen der Pop- und Rockmusik noch immer mit ROLLING STONE finden.

„Es ist schwierig, eine einzelne Person als diejenige zu identifizieren, die die komplexesten Lyrics in der Rockmusik schreibt, da dies stark von persönlichen Vorlieben und Meinungen abhängt. Es gibt jedoch mehrere Songwriter und Bands, die für ihre tiefgründigen und komplexen Texte bekannt sind. Einige davon sind:

  • Bob Dylan: Dylan wird oft als einer der größten Songwriter aller Zeiten betrachtet und ist für seine poetischen und oft metaphorischen Texte bekannt, die komplexe Themen ansprechen.
  • Leonard Cohen: Cohen war ein Meister der lyrischen Kunst und schrieb Texte, die oft tiefgründige philosophische und spirituelle Themen behandelten.
  • Joni Mitchell: Mitchell ist für ihre introspektiven und poetischen Texte bekannt, die oft persönliche Erfahrungen und gesellschaftliche Themen reflektieren.
  • Radiohead: Die Texte von Radiohead, insbesondere die von Sänger Thom Yorke, sind bekannt für ihre abstrakten und oft dystopischen Themen, die oft eine Vielzahl von Interpretationen zulassen.
  • Tool: Die Texte von Tool, geschrieben von Sänger Maynard James Keenan, sind bekannt für ihre tiefsinnigen und oft kryptischen Metaphern, die verschiedene philosophische und spirituelle Themen behandeln.“
Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates