Ob bodenständig oder grenzenlos: Die Provinz-Bands Hip Young Things, Shiny Gnomes und Nuts definieren Popstatements

Wer aus der Provinz kommt, hat es folglich schwer. Wenn die Annahme stimmt, daß die Umgebung den Menschen prägt, dann halten es die Nuts aus Altötting lieber mit Herbert Achternbusch („Die Gegend hat mich kaputt gemacht, ich bleibe solange hien bis man es ihr ansieht“) als mit dem schnellem Untertauchen in anonyme Metropolen. Sie machen aus der Not eine Tugend, also Musik. In der Hymne „Aus einer heiligen Stadt“ outen sie sich elegant als Provinzkapelle und ernten trotzdem viel Lob für ihr freches Popstatement. Dir zweites Album, voller Allerwelts-Sarkasmen, einer außerordentlich groovenden Musik und jenem leicht ironischen Blick auf Freuden und Leiden des unendlich schnöden Daseins, ist ein weiterer Treffer. Da ist keine Orientierung nach außen, nach großen musikalischen Vorbildern ausschlaggebend, sondern Bodenständigkeit, und bewußt gewählte Unaufdringlichkeit gewährt neue Freiheiten. Schon ihre wunderbare Zeile „…aus keine Macht für Niemand wurde keine Macht den Drogen“ bringt die eigene Befindlichkeit allgemeingültig auf den Punkt. Damit ähneln sie den Sternen, obwohl die Nuts in Persona sich weniger zu Popstars eignen, als es ihrer Musik nach zu erwarten ist. Das schönste rollende „R“, das bis dato auf Platte gebannt wurde.

Auch Nürnberger Bands müssen sich mit den Etikett des Provinziellen rumärgern. Die Shiny Gnomes haben sich nach zehn Jahren von jeglicher geographischen Beschränktheit verabschiedet und, allerlei psychedelischem Einfluß erliegend, ins Weltall abgeseilt Vorbei sind Mystizismus, kryptische Vieldeutigkeit verspätetes Hippietum oder Zauberei – sie gehen auf Weltraumkurs. „Im All“ erklärt Musiker Ufo, „kann man unheimlich viel reindenken, sich frei bewegen; da ist alles möglich, man kann sogar durch die Zeit reisen.“ Im Keller wurde ein galaktisches Schiff konstruiert, das Personal auf ungeahnte Weiten geschult und der bombastische Gitarrensound zurückgelassen. In sphärischen Loops, Sample- und Klangkosmen haucht engelsgleicher Gesang seltsame Gedanken. „Sind wir denn schon wahnsinnig oder noch normal, macht die Liebe wahnsinnig oder sterben wir..«“ Beim Blick in das Logbuch entpuppt sich ihr „Weltraumservice“ als trendy Umlaufbahn.

Ostwestfalen. Auch nicht schlecht provinziell, aber mit besten Export-Chancen. „Ventilator“, das dritte Album der Hip Young Things, ist laut Mastermind Schneider definierbar als Pop. Auch hier neue und offenere Sounds. „Wir übernehmen nicht mehr unreflektiert Amerikanismen oder Britpop, beschäftigen uns auch mit anderer Musik.“ Er spricht von allerlei Projekten, Gruppen, Vernetzungen und Kleinlabels, die in seiner Gegend entstehen. Produktive Nester, in denen musikalisches Selbstverständnis wächst Es ist egal, woher man kommt.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates