Pavement – Brighten The Corners

Mit ihrem neuen Album "Brighten The Corners" bestätigen Pavement ihren Rang als Speerspitze der Innovatoren.

„Das ist Entertainment!“ ruft Pavement-Chef Steve Malkmus irgendwann aus. Das haben vor ihm schon ganz viele andere Musiker gesagt, aber die meinten das immer anders. „Das ist Entertainment“, ruft er aus und fahrt fort: „Nicht für euch, sondern für uns. Alles, was du als Publikum oder als Kritiker brauchst, schöne Melodien und gute Riffs und ein paar intelligente Einfalle, findest du auch in unseren Songs. Aber das reicht uns irgendwie nicht, schließlich müssen wir diese Songs unglaublich oft spielen, das wird schnell langweilig. Deshalb wimmelt es da von Witzen und Anspielungen.“ Versteht oft nur die Band wenn sie es denn versteht.

So sind Pavement. Mittendrin im Alternative-Rock-Betrieb und doch irgendwie außen vor. Die durften mit den Beastie Boys neulich beim großen Tibet-Benefiz-Bumms in San Francisco spielen und ein Jahr davor bei Lallopalooza am späten Nachmittag auf der Hauptbühne – dazu muß eine Band schon einige 100 000 Platten verkaufen. Aber dann frickelten sie dort ihre Hits in verspielten Versionen, die die Kids, die irgendwo 300 Meter hinter dem VIP-Bereich gedrängt stehen, nun wirklich nicht goutieren konnten. Bob Nastanovich, der bei der Band für instrumentale und andere Gimmicks zuständig ist, sagt: „Wir sind die Grateful Dead des Indie-Rock, hähähä. Wir schaffen es einfach nicht, immer die gleiche Show zu spielen.“

Auch im Internet sind Pavement dabei. Naja, beinahe. Ihr Mutter-Label Matador, dessen Mitarbeiter berühmt sind für haarsträubenden Nonsens, richtete ihnen einen chat room ein. Ein halbes Jahr lang durften die Fans zu jeder Tages- und Nachtzeit ihrem jeweiligen Lieblings-Pavement Fragen stellen. Empörung wurde laut, als die Antworten doch recht kryptisch ausfielen. „Die Leute dachten echt, wir säßen da sechs Monate lang, 24 Stunden am Tag vorm Computer“, meint Mark Ibold, der gute Geist von Pavement. „Vielleicht war es nicht richtig von uns, die Leute zu veräppeln. Stell dir mal vor, meine Mutter hätte sich eingeklinkt und gefragt: „Lieber Mark, wann kommst du endlich wieder mal nach Lancaster?'“

Jetzt sitzen Malkmus, Nastanovich und Ibold, also drei Fünftel von Pavement, in dem realen chat room eines Hotels. Ihre Antworten aber nehmen sich noch immer kryptisch aus. So insistiert Malkmus beispielsweise, daß „Brighten The Corners“, ihr neues Werk, ein klassisches Rock-Album geworden sei. Eine Behauptung, die doch einigermaßen gewagt klingt, wenn einem noch von den verwirrenden Gitarrenfiguren und den vokalen Widerspenstigkeiten der Songs die Ohren klingeln.

Alles relativ, alles eine Frage des Vergleichs. Hören wir noch mal in die vorangegangen Pavement-Alben rein. 1992 erschien „Slanted And Enchanted“, feinziselierter Noise zwischen The Fall und Velvet Underground. Teuflische Riffs, aber die krummen Refrains konnte niemand mitsingen.

Krumm war auch der Nachfolger, allerdings nur im Titel: „Crooked Rain, Crooked Rain“ war ein extrem vielschichtiges Werk, bis in die letzte Ebene ausgearbeitet Zitat-Pop, der im berühmten 5/4-Takt von Dave Brubecks „Take Five“ die Gedanken ordnete und sich zu Country-Balladen über die Smashing Pumpkins lustig machte. Ein bündiges Album und damit das Gegenteil zum wenig später nachgeschobenen “ Wowee Zowee“, das auf 70 Minuten in ein kaum faßbares Stilspektrum zerfaserte.

Auf „Wowee Zowee “ war nun wirklich alles drin. Nur keine Ordnung. Kurz vor Veröffentlichung rief ich bei der damaligen englischen Plattenfirma an, um zu fragen, ob alles auf der LP so bleibe wie auf der Promotion-Cassette. Klar, sagten die. Einige Wochen später erschien das Ding, fast alle Songs trugen andere Titel, die Reihenfolge war verworfen worden. „Das wird dir mit ,Brighten The Corners‘ nicht passieren“, sagt Malkmus. „Wir waren nur zwei Wochen im Studio, die meisten Stücke sind first takes. Und die Struktur des Ganzen war schnell klar.“

Vielleicht sorgten die zwei Jahre Pause für jene Klarheit Wie in ihrer Gründerzeit wohnt die Band jetzt wieder in unterschiedlichen Ecken der USA: in Kentucky, Virginia bzw. New York. Malkmus hat in einem Film mitgespielt, den er als Low-Budget-Version von Louis Malles „My Dinner With Andre“ beschreibt Die Dreharbeiten fanden in LA statt, eigentlich lebt er inzwischen aber in Portland. Bis auf die Zeit, in der er in London bei Dämon Albarn untergekommen ist Mit dem versteht er sich gut, vom neuen transatlantischen Slacker-Bündnis, das der Blur-Sänger unlängst ausgerufen hat, distanziert er sich jedoch nachdrücklich.

wie man Indie-Rock ohne neuere Technologie in einem zeitgemäßen Modus halten kann. Im Gegensatz zu anderen Galionsfiguren des innovativen US-Rock, also Beck oder Jon Spencer, verzichten Pavement weitgehend auf Samplcr. Ist ja inzwischen einfach nur chic, ein bißchen am Samplcr rumzupopeln. Und chic wollten sie nie sein, schließlich wurden Pavement ja immer als Vorzeige-Slacker gehandelt, weil sie sich zu keiner Zeit um Trends und Tendenzen geschert haben.

Nur in dem Song „Transport Is Arranged“ pellen sich aus den weichen Rötentönen des Mellotrons geloopte Drums, ganz leise und kaum wahrnehmbar. Ja, das ist unser kleiner Dust-Brothers-Song“, feixt Steve Malkmus in Anspielung auf das Produzenten-Team, um das sich momentan alle reißen. „Ansonsten gibt es keine Samples auf dem Album.“ Was schon deshalb nicht verwundert, weil „Wrighten The Corners“ in dem kleinen Studio von Mitch Easter entstand, wo auch das R.E.M.-Debüt „Murmur“ aufgenommen wurde.

Pavement arbeiten klassisch, aber macht das „Brighten The Corners“ zu einem klassischen Rock-Album? Malkmus stellt seine Liebe für Siebziger-Jahre-Rock gern heraus. Man höre sich nur einmal „We Are Underused“ an, das sich zum Schluß in einen gospelartigen Chorus ergießt. Klingt nach den Black Crowes, schon weil Malkmus irgendwann im Krähengesang krächzt. Rock-Zirkus, voll fett. Aber dann bricht das Stück abrupt ab. Und die Worte sind auch nicht gerade klassisch. Wie sie entstanden sind?

Der Songwriter spielt das mal kurz nach: „So confused? Nein. So abused? Auch nicht. We’re underused! Das ist es!“ Ein schönes Exempel – wie schon früher der Titel „Heaven Is A Truck“ -für die Enigmatik von Malkmus‘ Lyrik, bei der es stets um Assoziation, Klang und Konnotation geht. Wie in der Musik werden auch in der Sprache die hergebrachten Bedeutungen zugunsten eines freien, spielerischen Systems aufgeweicht.

Vor dem Ende unseres Gespräches macht Steve Malkmus ein paar gymnastische Übungen. Wie ein besonders ehrgeiziger Student, der sich auf die nächste Prüfung vorbereitet. Da fällt mir noch ein: Was meint eigentlich die Zeile „Keep your language off the street“, die auf dem neuen Album auftaucht? Malkmus, ein bißchen außer Atem: „Die Leute sollen ihre dirty words gefälligst vor der Tür lassen. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, weshalb Rock nach street klingen muß.“

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