Penelope Cruz zwischen den Welten

In Hollywood war sie selten mehr als die hübsche Beistellfrau, doch als Muse des spanischen Regisseurs Pedro Almodóvar zeigt sie, was wirklich in ihr steckt, wie sie jetzt wieder in „"Zerrissene Umarmungen" beweist.

Musen sind laut Lexikon nicht geschlechtsspezifisch definiert – trotzdem dürften sie Künstlern und anderen von der Inspiration Geküssten eher in der weiblichen Erscheinungsform vertraut sein. Außer in Hollywood. Dort suchen Regisseure traditionell lieber mit männlichen Stars den dauerhaften Schulterschluss und lassen sich zu ihren filmhistorisch stärksten Leistungen antreiben – was nebenbei viel über den untergeordneten Rang von Schauspielerinnen in der Power-Pyramide verrät. Die prominenten Actor-director-Paarungen sind Legion. John Ford fand sein Alter Ego in John Wayne, Sergio Leone ist untrennbar verknüpft mit Clint Eastwood, Martin Scorsese erzählte nie zwingender als mit der Unterstützung Robert De Niros (sorry, Leo). Selbst im überhitzten Kino-Karussell der Gegenwart drehen Filmemacher ungebrochen mit Macho-Musen ihre Runden: Sir Ridley Scott und Russell Crowe machen gerade mit „Robin Hood“ ihren vierten Film in Folge. Steven Soderberg und George Clooney waren neben gemeinsamen Gigs wie „Out of Sight“ und der „Ocean’s-Serie lange Zeit auch noch Geschäftspartner. Und wenn David Fincher könnte, so gestand er unlängst, würde er nach „Sieben“ und „Benjamin Button“ am liebsten jeden Film mit Brad Pitt besetzen, „so stark ist unser unsichtbares Band zueinander“.

Undenkbar, dass ein arrivierter Regisseur in Amerika so etwas über eine Schauspielerin sagte – und es mit regelmäßigen, hochwertigen Rollen angeboten unter Beweis stellte. Was nicht bloß an den Begehrlichkeiten des auf ein männliches Publikum zugeschnitten Marktes liegt. Sondern auch am unvermeidlichen Begehren, dass dem gemeinen Filmschulabsolventen den Verstand vernebelt, wann immer mal eine betörende Frau des Weges kommt. Es hätte der Studie zwar nicht bedurft: Aber britische Wissenschaftler wiesen jüngst das Sinken der kognitiven Leistungsfähigkeit von Männern nach, sobald eine schöne Frau den Raum betritt. Regisseure scheint die genetisch verordnete Verblödung in ein Dilemma zu stürzen. Einerseits verlangt es ihr Job in einem visuellen Medium, dass sie dann und wann attraktive Aktricen besetzen – in die sie sich beim Blick durch die Kamera stellvertretend für das Publikum gern ein bisschen verlieben oder denen sie mindestens mal an die Wäsche wollen (was hinter den Kulissen oft genug versucht wird, die Casting-Couch ist alles andere als ein Mythos).

Andererseits ist so ein libidinös aufgeladenes Arbeitsverhältnis riskant und potenziell peinlich für alle Beteiligten. Selten ein Fall wie beim Europäer Federico Fellini, der das Problem elegant löste, indem er seine begehrte Hauptdarstellerin Giulietta Masina vor den Altar führte. Eher läuft es so wie bei Alfred Hitchcock. Der wußte Frauen knisternd zu inszenieren wie kein anderer aus seiner Ära. Aber all die Blondinen fühlten sich am Set belästigt von seinem obsessiven Blick. So halten es viele US-Kollegen bis heute und definieren Frauenpower über Pin-up-Posen. Junge Schauspielerinnen sind vor allem im amerikanischen Kino lebende Spezialeffekte, ab 30 gelten sie dann allmählich als abgehangen und gute Rollen sind bis dahin schwer zu ergattern. Selbst ein Woody Allen, der seit Jahrzehnten wunderbare Parts für Starlets schreibt und ihre vitalisierende Wirkung mit verschmitztem Charme beschreibt, geriet eine Zeitlang in den „dirty old man“-Verdacht, als der Altersunterschied zu seinen Kino-Partnerinnen arg Münte-mäßig wurde.

Allen nahm die Kritik ernst, zog sich als Leinwand-Liebhaber aus dem Verkehr und vollends hinter die Kamera zurück. Und als er dann Scarlett Johansson nacheinander in drei Hauptrollen besetzte, seufzte die Kritik entzückt, dass er eine neue Muse gefunden habe. Was nicht nur eine zweifelhafte Interpretation ist, weil Allen keinen dieser Parts spezifisch für Johansson geschrieben hat. Fragt man ihn direkt, rollt er nur mit den Augen und meint, dass die einzige Muse seines Lebens eine alte Schreibmaschine gewesen sei. Nein, die Definition hakt auch deshalb, weil unter allen Frauenfiguren Aliens der letzten Jahre eben nicht Johansson hervorragt, sondern die Spanierin Penelope Cruz, die im letzten Frühjahr für ihren Auftritt in „Vicky Cristina Barcelona“ völlig zu Recht mit dem Oscar prämiert wurde. Es war der vorläufige Höhepunkt einer bislang beispiellos schizophrenen Karriere, die in zwei erstaunlich disparate Hälften zerfällt und vorführt, wie abhängig eine Frau von der Fantasie, dem Vertrauen und dem Respekt ihrer männlichen Regisseure ist.

Wer sich lediglich mit dem Multiplex-Kino beschäftigt, was fraglos auf das Gros der zahlenden Zuschauerschaft zutrifft, könnte Cruz guten Gewissens für so oberflächlich entzückenden wie letztlich untalentierten Euro-Augenschmaus halten. Seit ihrem US-Debüt 1998 in Stephen Frears Neo-Western „The Hi-Lo Country“ wurde sie jenseits des Atlantik konsequent als Accessoire mit riesengroßen Augen, vollen Lippen und wenig Text eingesetzt. In Cameron Crowes „Vanilla Sky“ bestand ihre Aufgabe darin, Tom Cruise anzuhimmeln und beim Nachstellen von Bob Dylan-Plattencovern zu assistieren. In Billy Bob Thorntons „All die schönen Pferde“ soll eine sensationelle Performance auf dem Boden des Schneideraumes gelandet sein, doch was übrig blieb, nachdem Columbia Pictures dem Regisseur damals seinen Film entriss, war nur eine stumm leidende Latino-Liebhaberin von Gringo Matt Dämon. Und ob man sich vorhersehbare Konfektionsware wie „Blow“ mit Johnny Depp, „Corellis Mandoline“ mit Nicolas Cage oder „Sahara“ mit Matthew McConaughey in Erinnerung ruft – stets dürften sieh die Regieanweisungen für Penelope Cruz darauf reduziert haben, zeitgemäße Mode zu tragen, gut auszusehen und dem Helden der Geschichte nicht im Weg herumzustehen.

Der ROLLING STONE hat die 35-Jährige in jener Phase fast jährlich für Interviews getroffen – und womöglich würde sie selbst der seinerzeit gültigen Journalisten-Einschätzung zustimmen, dass man die Zeit mit Nasebohren sinnvoller hätte verbringen können. Von ihren „Rehaugen“ schwärmen einfallslose Bewunderer gern, wenn sie die äußerliche Anmutung der Schauspielerin beschreiben. Tatsächlich aber wirkte Cruz damals wie ein Reh im Scheinwerferlicht: Ängstlich, defensiv, verunsichert fast. Krampfhaft bemüht darum, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und irgendetwas halbwegs Vernünftiges zu Girlfriend-Parts zu sagen, deren Charakteristika auf eine Briefmarke gepasst hätten. Mitleid schien freilich fehl am Platze. Schließlich hatte sie niemand dazu gezwungen, sich aus Europa nach Hollywood importieren zu lassen und verheizt zu werden wie Emanuelle Beart („Mission Impossible“) oder lsabelle Adjani („Teuflisch“). Hinzu kam, neben der mangelhaften Beherrschung der englischen Sprache, ihr kolportierter Ruf als Serien-Liebhaberin von Co-Stars. Mit Dämon und Cage gab es Affären, an der Seite des hyperventilierenden Cruise lächelte sie still für drei Jahre, und als ich sie mal in England bei den Dreharbeiten von „Sahara“ mit dem Schlawiner McConaughey traf, hätte man ihre Volljährigkeit anzweifeln können, so brav erfüllte diese zierliche Person in des Texaners muskulösen Armen alle schutzbedürftigen Kindchenschema-Klischees.

Was alles um so merkwürdiger anmutete, wenn man auch mit der Parallelkarriere von Penelope Cruz vertraut war. Seit ihrem 15. Lebensjahr hatte die in einfachen Verhältnissen aufgewachsene Tochter eines Mechanikers und einer Friseurin schließlich schon im heimischen Spanien gearbeitet und sich seit ihrer ersten wichtigen Rolle 1992 in Bigas Lunas lebensprallem Erwachsenendrama „Lust auf Fleisch“ einen Namen gemacht. Rund 20 europäische Produktionen zierten bereits ihre Filmografie, bevor sie sich von Hollywood vorführen, pardon, verführen ließ. Darunter ihr nach „Belle Epoque“ zweiter Film unter der Regie von Fernando Trueba: In „Das Mädchen deiner Träume“ (1998) spielte sie eine Sängerin in Nazi-Deutschland, die sich der Avancen eines gewissen Joseph Goebbels erwehren musste, wofür Cruz mit dem wichtigsten spanischen Filmpreis geehrt wurde, dem Goya. Niemand freilich sollte ihre Laufbahn, ihr Leben und ihre künstlerische Identität so sehr prägen wie der exzentrische Regisseur mit dem runden Gesicht und dem wirren Haarschopf, der Cruz erstmals 1997 in „Live Flesh – Mit Haut und Haaren“ für einen Cameo vor die Kamera holte, in dem sie zu Beginn in einem Bus den Helden der Story zur Welt brachte. Um es milde zu formulieren: Als Penelope Cruz die Bekanntschaft mit dem ebenfalls aus Madrid stammenden Extrem-Stilisten Pedro Almodövar machte, wurde auch die seit langem aufregendste Dauer-Kollaboration zwischen einem Mann und einer Frau im europäischen Kino geboren (ohne dass Christian Petzold und Nina Hoss hier nicht überaus löbliche Erwähnung verdient hätten).

Penelope entstammt der mediterranen Schule der Schauspielerei“, sagt Almodövar über Cruz, „was eine sehr körperliche Kunst beschreibt, die sich durch Schamlosigkeit und ein großzügiges Dekollete, durch Fleischeslust und Lautstärke als bevorzugte Form der Kommunikation definiert.“ Mit Claudia Cardinale, der frühen Silvana Mangano und natürlich mit Sophia Loren setzt das nie um Superlative verlegene Regie-Enfant Terrible seine Lieblingsschauspielerin in eine Reihe, die er während ihrer ziellosen Hollywood-Jahre bis aufs Blut gegen Anwürfe verteidigte. Almodövar ist bekanntlich ein offensiv schwuler Filmemacher, was dem neutralen Beobachter durchaus auf die Nerven gehen kann, wenn er in jeder seiner Stories homosexuelle Figuren einbringt, ohne dass erzählerische Notwendigkeit besteht – in seinem jüngsten Werk „Zerrissene Umarmungen“ etwa gibt es den verklemmten, bis zur Karikatur entstellten Sohn eines reichen Geschäftsmannes, der nie für seine sexuelle Selbstbestimmung, sondern nur gegen den grotesk intoleranten Vater kämpft. Doch wie Almodövar seine Schauspielerinnen im Allgemeinen und Cruz im Besonderen in Szene zu setzen versteht, das lässt einem regelmäßig den Atem stocken.

Jede seiner Frauen am Rande des Nervenzusammenbruches ist schillernder, bewundernswerter und bei aller gummibärchenbunten und schrecklich schrillen Überlebensgroße schlichtweg erwachsener als ein ganzer Jahrgang von Hollywood-Girlies. Dieser kleine, dicke, nach emotionalen Explosionen hungernde Mann hinter dem Regie-Megafon pfeift auf klassische Genre-Definitionen und wirft Elemente romantischer Komödien, tödlicher Dramen und historischer Hommagen zu filmischen Festmahlen zusammen. Und er weiß, was seine Schauspielerinnen brauchen, wonach sie sich sehnen in ihren künstlerischen Seelen, nämlich Theatralik und Melodram, Freiheit für Tabubrüche und symbolische cojones, die all die Männer in ihrem Umfeld vor Nervosität die Schwänzchen zwischen den Beinen zusammenklemmen lassen. Man muss das sehen, um zu glauben, dass es funktioniert: In „Alles über meine Mutter“ (1999) besetzte er Cruz als eine Prada-tragende Nonne mit Aids, und mit „Volver“ (2006) verhalf er seiner definitiven Über-Muse zu ihrer ersten Oscar-Nominierung, als er Cruz als Putzfrau porträtierte, die sich in einer matriarchalischen Welt mit Geistern und mörderischen Schwestern herumschlagen muss.

Gewiss, auch Almodövar kann sich nicht sattsehen an seiner besseren Kino-Hälfte. In „Zerrissene Umarmungen“ zeigt er sie als angehende Schauspielerin, die sich zur Rettung ihres sterbenskranken Vaters mit einem schmierigen Millionär einlässt, und lässt die Kamera verweilen an Killer-Kleidern und Mörder-Absätzen, wie man es aus den omnipräsenten Werbekampagnen gewohnt ist, in denen sich Cruz von Firmen wie Ralph Lauren, L’Oreal und Mango einsetzen lässt. Doch Almodövar schafft diesen glamourösen Schein der alten Diven-Schule nur, um die Maskerade ziemlich erbarmungslos zu zerstören und zu zeigen, wie hoch der Preis für ein Leben im goldenen Käfig ist. Als Cruz in „Zerrissene Umarmungen“ einmal mit platinblonder Perücke vor einem Theaterspiegel sitzt, da reflektiert er in einer ikonischen Miniatur die Komplexität eines Berufes, in dem Frauen ihr Gesicht verkaufen müssen, um mit dem Herzen dabei sein zu dürfen. Später im Film wird sie von ihrem gehörnten Liebhaber gedemütigt und körperlich angegriffen, bis mit dem Blut auch die Schminke in den Bordstein rinnt. Zurück bleibt ein täuschendes Bild von Schutzlosigkeit, das indes durch den unbeugsamen Stolz in Cruz‘ Blick gebrochen wird, die mit ihrer wahren Liebe aus dem mondänen Madrid nach Lanzarote flüchtet, auf die kärgste und urwüchsigste aller Kanaren-Inseln. Die Entblätterung ist perfekt und ein Star im Film wie im öffentlichen Image reduziert auf reine Wahrhaftigkeit.

Cruz weiß um die Einzigartigkeit der Bindung zu Almodövar, die über die Jahre zu einer personifizierten Achse des spanischen Kinos geworden ist, das wiederum in Europa eine qualitative Ausnahmestellung genießt, auch dank weiterer exzellenter Regisseure wie Julio Medem („Lucia und der Sex“) und Alejandro Almodövar („Das Meer in mir“). „Ich klinge wahrscheinlich wie ein Groupie“, sagt sie, „aber ich war schon besessen von seiner Arbeit, bevor ich ihn das erste Mal getroffen habe. Ich weiß nicht, warum das so ist und will auch gar nicht analysieren, woher unser Verständnis füreinander rührt. Manchmal erschreckt es mich fast, wie guter mich kennt und mich an Szenen heranzuführen versteht. Er versteht mich so intuitiv, als sei er eine zweite Mutter oder als hätten wir uns in einem früheren Leben schon gekannt. Ich kenne dafür kein besseres Wort als: Magie.“

Trifft man Cruz in jüngster Zeit, erlebt man eine Frau, die noch immer scheu wirkt und übertrieben misstrauisch auf Fragen reagiert, die ihr auch nur einen Hauch zu persönlich zu werden drohen. Als wir etwa über „Nine“ sprechen, das neue Musical von „Chicago“-Regisseur Rob Marshall, in dem sie Ende des Jahres neben Daniel Day-Lewis und Nicole Kidman zu sehen sein wird, huscht ihr regelrecht die Panik übers Gesicht, als man daran erinnert, dass in der Hauptrolle ursprünglich Javier Bardem besetzt war, bevor er wegen gesundheitlicher Probleme aussteigen müssen. „Da müssen Sie ihn bitte selbst drauf ansprechen“, stottert sie in der irrigen Annahme, dass man sich für ihre seit dem „Vicky Cristina Barcelona“-Dreh währende Beziehung mit dem „No Country for Old Men“-Star interessiere. Denn Cruz ist inzwischen zu einer viel zu faszinierenden Schauspielerin gewachsen, als dass ihre privaten Bindungen von Belang wären. Vielmehr wäre es fahrlässig, sie über Schauspieler an ihrer Seite zu definieren, wie es in den Cruise-Jahren an der Tagesordnung war, denn dank des durch Almodövar gewachsenen Selbstbewusstseins beherrscht sie nun auch Filme, die sie nicht in ihrer Muttersprache dreht. Alle Welt konzentrierte sich bei „Vicky Cristina Barcelona“ auf die kleine Frauensexnummer mit Johansson, doch den Oscar erhielt sie nicht für diesen Rückfall Aliens zu Altherrenphantasien, sondern für das Temperament und die trotzige Selbstverständlichkeit, mit der sie ihren Kollegen mit einer Nebenrolle den kompletten Film stahl. „Ich überließ es Penelope und Javier“, erinnert Allen, „ihre spanischen Dialoge selbst zu schreiben, und hatte ehrlich gesagt beim Dreh keine Ahnung, was sich die beiden in ihren Streitsequenzen an den Kopf warfen. Ich wußte nur, dass sie in der Szene war, als gäbe es uns gar nicht. Da waren Schmerz und Leidenschaft zu spüren, Sexappeal und Unberührbarkeit zugleich – und ich hatte beim Zuschauen keinen Zweifel, dass diese zarte Person genug Willenskraft besitzt, um sogar ihre Verletzungen noch in eine Waffe zu kehren.“

Vergessen sind die Zeiten von „The Hi-Lo Country“, als Cruz ihre englischen Dialoge noch phonetisch lernen musste. Regelmäßiges Sprachtraining ermöglicht es ihr unterdessen, nahtlos zwischen den Kulturen zu wechseln und die Komplexität angeknackster Charaktere zu interpretieren. In Isabel Coixets Verfilmung von Philip Roths „Das sterbende Tier“, „Elegy oder die Kunst zu lieben“ (2008), spielt Cruz im Prinzip die undankbare Rolle einer naiven Studentin, die ein Verhältnis mit einem schlecht alternden Professor (Ben Kingsley) beginnt und ihn zunehmend mit emotionaler statt mit körperlicher Nacktheit in die Ecke drängt, so sehr der Film auch ihren Mut zur Freizügigkeit ausnutzt. Man kann hier einer Schauspielerin dabei zusehen, die angekommen ist bei sich selbst und vielleicht manch berufliche Enttäuschung abruft, wenn sie im Rahmen einer Rolle in die Ecke gedrängt wird und unendliche Traurigkeit ihre Miene verfinstert. Dass sie ihren besten Arbeiten unter der Regie einer Frau, eines Homosexuellen und eines wegen seines Alters als sexueller Aggressor ausscheidenden New Yorkers zeigt, macht deutlich, wie sehr Cruz davor auch in den Projektionen von Männern gefangen war. „Ich selbst wache nicht morgens auf und halte mich für den heißesten Feger“, räumt sie, angesprochen auf das Thema, widerwillig ein. „Dazu bin und bleibe ich viel zu unsicher, was eine gute Voraussetzung für meinen Beruf ist. Aber ich weiß, dass der Fokus früher sehr stark auf mein Aussehen gerichtet wurde – und es ist das Schwierigste von der Welt, ernst genommen zu werden, wenn man einmal den Pretty-Woman-Stempel weg hat.“

Darum wohl bleibt im Umkehrschluß bis heute die Wand vor ihrer Persönlichkeit hochgefahren, legt sie Undurchdringlichkeit an den Tag, dass es ans Zickige grenzt. Deshalb verliert sie sich gelegentlich in bierernsten Ausführungen über das Innenleben ihrer Figuren und über die Reinheit der Kunst, wo eine Anekdote vom Dreh ihre Arbeit garantiert viel besser illuminiert hätte. Aber wenn der Deal mit der Öffentlichkeit nun darin besteht, dass sie im Kino ihr Herz ausschüttet, während sie abseits der Arbeit um nüchternste Professionalität bemüht ist, dann kann man da nur einschlagen. Denn aller europäischen Erfolge zum Trotz: Man wird bei Penelope Cruz das Gefühl nicht los, dass sie gerade erst damit anfängt, ihre schauspielerische Reichweite punktgenau einsetzen zu können. „Das Geheimnis einer langen Karriere“, sagt sie, „besteht darin, an den richtigen Stellen auch Nein zu sagen.“ Der Oscar für „Barcelona“ wird ihr weitere Türen öffnen, und wo die goldene Statuette erfahrungsgemäß oft zum Fluch wird, weil plötzlich die ganz großen Gagen und Blockbuster locken, da hat Cruz all diese Fehler bereits hinter sich.

„Als ich eine Zeit in Los Angeles lebte“, erinnert sie sich, „wurde ich rund um meinen 30. Geburtstag andauernd gefragt, wie ich mit dem Altern klarkomme und mich darauf vorbereite, irgendwann nicht mehr erste Wahl zu sein. Ich konnte das nie begreifen, denn in Spanien arbeiten Schauspielerinnen, bis sie 80 sind, und ich freue mich geradezu darauf, mal die Falten meiner Großmütter zu bekommen und dann wieder völlig neue Sachen ausprobieren zu können. Natürlich, ich habe keine Kristallkugel und weiß nicht, ob mir das Glück in Zukunft hold bleibt und ich weiterhin mit solch talentierten Menschen arbeiten darf. Aber wenn eines unverändert geblieben ist in 20 Jahren voller Höhen und Tiefen in diesem Beruf, dann ist es meine Überzeugung, mich möglichst nie wiederholen zu wollen. Nicht Geld und Ruhm machen den Reiz aus, sondern pure Neugier aufs Unbekannte.“ So ist das mit den wahren Musen – sie sind zeitlos.

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