Polanski, Allen & Country: die schräge Welt der Handsome Family

Die Musik der Handsome Family klingt, als hätte Franz Kafka einen Trip eingeworfen und dann eine Handvoll Country-Songs geschrieben. Also schon irgendwie befremdlich. In Amerika reagierten Kritiker etwas verschreckt auf die düsteren, bizarren und komischen Texte von Songschreiberin Rennie Sparks. „Die Leute wissen nicht, was sie von uns halten sollten“, freut sich die freundliche junge Frau und schickt noch ein glockenklares Lachen hinterher „Sie finden uns wohl gefahrlich.“ Kein Wunder. Denn so ist halt die merkwürdige Welt der Handsome Family, die bereits auf zwei Alben {„Odessa“ aus dem letzten Jahr und nun das verfeinerte „Milk & Scissors“ ausgebreitet ist: Da verwandeln sich Menschen in Riesenameisen oder in Hunde, die nur drei Beine haben. Es gibt einen König, der nicht lachen kann, einen PudeL der sich für einen Cowboy hält, und eine Frau, welche Gedichte für Jimmy Carter schreibt und darüber vergißt, ihre Kinder zu füttern. Rennie ist in New York aufgewachsen. Jahrelang tobte sich ihre surreale Phantasie in Kurzgeschichten aus. Dann traf sie Brett Sparks, der ein kleines bißchen Gitarre spielen konnte und ab und zu eine Country-Melodie erfand.

Sie heiratete ihn, zog mit ihm nach Chicago und verlegte sich auf das Schreiben von Songtexten. „Der Unterschied zu Literatur ist, daß man mit Songs auf einmal mehr Leute erreicht“, sagt sie. „Es ist nämlich so, daß Amerikaner nicht gerne lesen.

Sie wollen lieber etwas serviert bekommen.“ Brett Sparks gelangweilt nölende Stimme strahlt milden Sarkasmus aus – „der ideale Sänger für meine Geschichten“.

So war die private/kreative Partnerschaft besiegelt Zumal Brett zu den Inhalten durchaus eine Beziehung hat Im letzten Jahr mußte er für einige Monate in die Psychiatrie, weil er sich morgens plötzlich für seinen eigenen Großvater hielt „Brett ist manisch-depressiv, was für mich nicht immer einfach ist“, erläutert Rennie in gelassenem Ton. „Aber ich fühle mich ihm dennoch sehr nahe, da ich regelmäßig kurz vor dem Selbstmord stehe.“ Das ist nicht als Witz gemeint. Witze gibt es in den Liedern schon genug. Die beiden Sparks stehen an ihren eigenen seelischen Abgründen und machen sich darüber lustig. Ihre Idole sind Woody Allen und Roman Polanski. Die Band hat Spaß an irritierten Mienen im Publikum. Und sie legt keinen übermäßigen Wert auf die musikalische Perfektion: Der Drummer Mike Werner ist ein Freund des Paars. Er hatte selbst am Tag vor den ersten Sessions noch nie einen Stock in der Hand gehabt Rennie Sparks dazu: „Wir sehen die Country-Musik ganz anders als die meisten Leute: Es macht Spaß, damit zu spielen. Wir nehmen die musikalischen Formen nämlich nicht besonders erst Was aber nicht heißen soll, daß wir sie parodieren.“ Der Handsome Family irgendwelche kabarettistischen Absichten zu unterstellen, wäre denn auch ein grobes Mißverständnis. Von Comedy-Pop der Marke They Might Be Giants ist das Trio weit entfernt Brett Sparks singt eben von Riesenameisen, so wie andere von einsamen Bars singen. Keiner bezweifelt, daß einsame Bars existieren. Und wenn man der Handsome Family lange genug zuhört, beginnt man zu glauben, daß auch die Riesenameisen ja eigentlich zum Alltag gehören.

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