Polarkreis 18: „Frei“ oder unfrei? Das ist hier die Frage

Am vergangenen Freitag erschien das neue Album von Polarkreis 18. Ein Verkaufsknaller. Vermutlich. Rezensent Daniel Koch, der einst sehr gerne auf ihren Konzerten weilte, wird jedoch ganz kalt vor lauter Auf-Nummer-Sicher-Spielen.

Die Dresdener sind nicht umsonst so etwas wie eine Vorzeigeband der deutschen Musiklandschaft. Kommerziell überaus erfolgreich (ihr letztes Album „The Colour Of Snow“ erreichte unlängst Platinstatus), früh gefördert und gecoached (durch den F6 Music Award, bei dem sie 2006 den zweiten Platz belegten), ihrer Heimatstadt zutiefst verbunden („Frei“ wurde im eigenen Studio in Dresden aufgenommen) und in frühen Jahren unermüdlich auf Tour unterwegs, wo sie im Indieclub, auf dem Kleinstfestival oder nach dem Hit „Allein Allein“ auch auf großen Bühnen immer mit gleich hohem Engagement ihre pathosbetriebene Show ablieferten. Man will ihnen als nichts Schlechtes. Aber dennoch…

Was Polarkreis 18 mit ihrem „bisher reifsten Werk“ (Eigenaussage) „Frei“ abliefern, klingt so überhaupt nicht nach der kreativen Freiheit, die sie sich angeblich geleistet haben. Man fühlt sich eher an die begeistert bis fickrige Anmoderation eines A&Rs erinnert, der damals bei einer Veranstaltung des erwähnten f6 Awards, lobte, dass die Band so „formbar“ sei und sich guten Ratschlägen von Labelseite nicht verwehrte. Das ist natürlich in keiner Weise verwerflich, nur scheint hier vom ersten Ton offensichtlich zu sein, dass man entschlossen ist (auf welcher Seite auch immer), das Erfolgsprinzip des eigenen Hits zu Tode zu reiten. Deutsche Lyrikfetzen, angeblich thematisch wie das ganze Album von Schuberts „Winterreise“ inspiriert, treffen auf bisweilen peinliches Pennälerenglisch, Pathos trifft auf Pop, Orchesterbombast auf die 80er-Kühle eines Fairlight CMI-Synthesizers. Gleich der Titelsong, der das Album eröffnet, will „Allein Allein“ mit geballter Faust sein, lässt die Geigen schwellen, die Retrokeyboards bleepen, den Chor erklingen: „Frei! Frei!“ Kurz darauf singt Felix Räuber mit seiner eigentümlich hohen Stimme: „I have tried the best to free my mind. I freed myself … ohoho … ich bin frei.“ Ein Hit, keine Frage, aber ein schmieriger, ein anbiedernder, ein offensichtlicher. „Wenn das kein Erfolg wird“, so die Band selbst über „Frei“, „liegt es nicht an uns.“ Eben.

„Unendliche Sinfonie“ wartet wieder mit diesem seltsamen Denglisch-Singsang auf, verspielt das tolle, nach Kloster klingende Intro durch einen allzu simplen Schunkelbass, weichgespülte EBM-Sounds und Zeilen wie diese: „All around, it’s all around, in every heart it can be found / light is just a melody / Unendliche Sinfonie / Soundtrack of eternity / Unendliche Sinfonie“. Ist das noch dieselbe Band, die schon auf ihrem – wirklich „reif“ und gerne auch „frei“ zu nennenden – Debüt einen funkelnden akustischen Sternennebel wie „Stellaris“ oder einen fiebrigen „Dreamdancer“ fabrizieren konnte. Ähnlich atmosphärisch oder überzeugend sind sie heute nur noch im geradezu leise tretenden „Small Space Between“, einer sehnsüchtigen Ballade, die Arrangeur und Produzent Sven Helbig auf sanften Orchesterseegang bettet.

„Frei“ wird aus kommerzieller Sicht der Erfolg werden, der es sein will, wird am Ende gar die recht zahlreichen Unheilig-Fans in ihrer abstrusen Sehnsucht nach Holzhammerromantik und Deutschdusellyrik abholen – künstlerisch betrachtet ist es jedoch nur ein perfekt produziertes, mit großem Ehrgeiz vertontes, aber in seinem kalten Herz auf Nummer Sicher pochendes Album, das seinen Titel wie Hohn erscheinen lässt.

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Daniel Koch

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