Pop-Kultur 2025: Was wird aus den deutschen Convention Festivals?
Die Allianz aus Poltik und Popmusik lief schon mal geschmeidiger. Beobachtungen von einer Aktionswoche in Berlin
Zum 10. Jubiläum des Berliner Convention-Festivals „Pop-Kultur“ gab es (wie in den Jahren zuvor auch) noch ein schickes Begleitbuch. 160 Seiten, allerlei salbungsvolle Worte und historische Fotos aus besseren Zeiten. Joe Chialo war damals noch der zuständige Kultur-Senator. In der Bundespolitik saß die Grüne Urgestein*in Claudia Roth am Drücker.
Das eigentliche Vorwort verfasste Maria von der Heydt, die einige Monate nach der Veranstaltung das Zepter beim Musicboard Berlin übernahm und somit die lang gediente Katja Lucker zur Initiative Musik verabschiedete. Letztere Institution ist wiederum fürs ganze Land und den deutschen Pop-Export in die Welt zuständig. Viel Veränderung also von 2024 zu 2025. „What a difference a year make“s, sagt man im englischen Sprachraum in Abwandlung eines Songs von Dinah Washington. Und zwar nicht nur personeller Art. Die Füllhörner der schönen Künste werden immer löchriger.
„Wir haben den kulturellen Auftrag, der es uns ermöglicht, einen ganz dezidierten Fokus auf künstlerisches Arbeiten und die Bedarfe der Musiker*Innen zu legen. Und das schöne dabei: Unser Publikum besucht Pop-Kultur, weil es neue Entdeckungen und künstlerische Impulse, interdisziplinäre Experimente und ungewohnte Perspektiven vorfindet“, erläutert von der Heydt in der Zehn-Jahres-Schrift.
Zwischen Anspruch und Realität
Wie krisenfest dieser „Auftrag“ ein Jahr später noch ist, ließ sich an insgesamt sechs Tagen beobachten, verteilt über die ganze Stadt.
Vom „Silent Green“, einem schick renovierten ehemaligen Krematorium im Stadtbezirk Wedding, zum Festsaal Kreuzberg und weiter ins Wochenende am bewährten Standort Kulturbrauerei. Eine gewisse Dichte, wo sich Branchenmenschen unwillkürlich über den Weg laufen und en passant Anregungen bekommen oder gar spontane Deals einfädeln, kam kaum zustande. Wenn man von der heiter beswingten „Reception“ auf den Greens des „Silent Green“ einmal absieht. Die Dresdener Electro-Indie-Formation Ätna aus Dresden rollte derweilen ihre wuchtigen Beats in der unterirdischen Betonhalle aus. Und wurde höflich gefeiert.
Auch ohne statistisches Material lässt sich konstatieren, dass die internationale Beteiligung und Bedeutung der Pop-Kultur nicht sonderlich hoch war.
Zwar ist Berlin eine Expat-Stadt per excellence, mit Vorort-Musikern von Seattle bis Singapur. Und das Goethe Institut ermöglichte auch Bands aus Georgien und weiteren Kaukasus-Anrainer-Ländern. Doch die finanzkräftigen Exportbüros schienen sich schon mal auf das Reeperbahn Festival in Hamburg (17. bis 20. September) vorzubereiten. Im Dreiklang c/o Pop (Köln) und Pop-Kultur (Berlin) haben die Hanseaten für ausländische Besucher die Funktion der ehemaligen Mega-Messe Popkomm übernommen. Die bekanntlich schon angeschlagen aus Köln, in Berlin schließlich 2011 eingeschläfert wurde. Die nachfolgend in der Hauptstadt eingerichtete „Berlin Music Week“ ist ebenfalls längst Geschichte.
Regionale Formate und Clubnächte
Der kostenlose Abend im Festsaal Kreuzberg namens „Pop Up_Berlin“ mit Nachwuchsbands im Saal und allerlei Freestyle-Kommunikation im Foyer hatte einen strictly regionalen Charakter. An hölzernen Tischen präsentierten Labels wie Grönland, Karaoke Kalk, BPitch Control oder auch City Slang ihr Programm, zumeist mit Vinyls in Papp- oder Plastikkisten. Niedlich und Nett, ein Platten-Flohmarkt der edleren Sorte.
Die Krönungsmessen dann am Freitag und Samstag in den verschiedenen Clubs und Hallen der ehemaligen Schulhaus-Brauerei. Mit „Stars“ wie Die Heiterkeit, Die Nerven oder der kraftstrotzenden, multinationalen Frauenband Los Bitchos, doch wie das so ist, wenn das Angebot dicht gepackt ist, quatscht man sich irgendwo fest. Und verpasst die nächste Band im Palais oder im Frannz Club. So konnte die Open-Air-Location Caystube vielfach punkten, wo es mit Queer-Überbau allerlei Disco-, House- oder Irgendwie-Funkt-Cres gab. Den Vogel schoss dabei das in Berlin beheimatete norwegisch-isländische Synth-Pop-Duo Ultraflex ab. Konzeptionell leicht bekleidet machten Kari „Farao“ Jahnsen und Katrín Helga „Special-K“ Andrésdóttir tolle Kirmes-Musik. Und baten zum Grande Finale eine befreundete POLE-Dancerin auf die flache Bühne, die an der Stahlstange artistische Übungen vollzog. Kam super an!
Politische Unsicherheit und drohende Kürzungen
Angesichts drohender weiterer Budgetkürzungen und dem bisherigen Null-Verhalten des neuen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer zu den Belangen der Popmusik, wird das Team um Marie von der Heydt sich gegen den viel beschworenen „Finanzhammer“ wappnen müssen, der 2026 weiter kreisen wird.
Das Berliner Festival wird zwar maßgeblich durch die örtliche Senatsverwaltung für Kultur und Europa des Landes ermöglicht. Dazu kommen Mittel des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und Gelder der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Insgesamt ein fragiles Gebilde, wie bei anderen subventionierten Kultureinrichtungen auch, das irgendwann keine ausreichende Substanz mehr hat, um noch mehr Kürzungen auszuhalten.