Pop unterm Regenbogen

Regen und Sonne, stürmische Bands und laue Stars - mit einem lachenden und einem weinenden Auge verließ man dieses Jahr das Haldern-Pop-Festival

Das ging ja schon gut los: Die Navigations-CD ließ sich nicht aus dem Mietwagen-Player nehmen, und so musste man die siebenstündige Anfahrt lang mit dem Radio vorliebnehmen. Kein Wunder, dass der Himmel weinte.

Den Festivalbesuchern in Haldern schien die Witterung nichts auszuma’chen. Aber die waren am Abend zuvor ja auch von Lambchops Kurt Wagner im ROLLING STONE-Spiegelzelt in den Schlaf gesungen worden. Gummibestiefelt und gut gelaunt stapften sie vom klammen Campingzelt durch durchweichte niederrheinische Erdschichten zur Bühne, um die The Veils, Morning Runner und die Zutons zu sehen. Zugegebenermaßen Bands, die selbst bei Sonnenschein nicht gerade Funken sprühen. Dann setzte ein einstündiger Platzregen ein, der nur Feuerwehr und Stormchaser ausharren ließ. Man konnte die Hartgesottenen später erkennen: strahlende Gesichter auf in durchtränkten We Are Scientists-T-Shirts steckenden zitternden Körpern. Das Goth-Gedröhne der Cooper Temple Clause ging ebenfalls unter. Motorpsycho und Element Of Crime gewannen der Schlammwüste ein bisschen Pathos ab. Die Norweger mit Hippieträumen, die Berliner durch alte Klassiker, neben denen die neuen Stücke wirkten wie lustig gemeinte Postkartenmotive. Dann konnte man sich vor neuem Regen hinter die Soundwände von Mogwai flüchten – oder ins Spiegelzelt, um sich von den Revs bedudeln und von Final Fantasy fürs lange Wachbleiben belohnen zu lassen.

Der zweite Tag begann freundlicher, nicht nur weil der Spielmannszug Wesel-Fusternberg am Morgen auf dem Stadtfest „Yellow Submarine“ spielte. Ein U-Boot brauchte man nämlich gar nicht. Die Sonne schien, die Islands gaben wundervoll verspielten Rasselbanden-Pop, die Guillemots wirkten robuster und – sehr angemessen – dreckiger als auf Platte. Und die Wrens… Gegen diese Naturgewalt war der Regen am Tag zuvor nur ein leichtes Auffrischen. Ironiker kräuselten ihre Naschen, der Rest gab sich dem Soundorkan hin. Allen voran Kevin Whelan, der irr über die Bühne hüpfte, von Verstärkern sprang und alles, was ihm in die Quere kam, auf seinen Schlagzeuger schleuderte. „Es ist mir scheißegal, dass wir niemals Rockstars werden. Heute fühlen wir uns, als wären wir welche!“ brüllte er und holte gleich noch ein Dutzend Fans auf die Bühne, um ihnen zu zeigen, was er meinte. Selbst die Kameras des WDR waren außer Rand und Band. Die Kooks wirkten anschließend wie Kaugummibildchen. James Dean Bradfield hatte zwar Charisma, aber seine zehn neuen Songs kannte – den immer länger werdenden Gesichtern nach – kaum jemand. Schön und soloakustisch das Manics-Stück „This Is Yesterday“, am Ende noch „Ocean Spray“.

Neil Hannon wickelte natürlich danach alle um den Finger. Der gloriose Divine Comedy-Auftritt mit Orchester an gleichem Ort vor zwei Jahren wirkte nach. Ohne den Streicher-Aplomb schien dieses Mal jedoch vieles fast lustlos. Selbst „Becoming More Like Alfie“ fiel in diesem unscheinbaren Arrangement nicht weiter auf. Mit weitaus mehr Nachdruck – und mit Gastsänger Mark Lanegan- schickten die Twilight Singers die Besucher düster drängend nach Hause. Oder ins Spiegelzelt, wo Ed Harcourt heiser krähte und Kante die immer noch klammen Kleider in der Hitze ihrer neuen Stücke endgültig trockneten.

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