Protest-Pop II: Spillsbury aus Hamburg sind die erste Band, die sich über die notorische Kantigkeit der deutschen Sprache freut

Hört man „Raus“, das Debütalbum des Duos Spillsbury, denkt man unweigerlich: „Berlin!“ Verkörpern der monotone Sound und das nachts durch eine nicht benannte Metropole irrende lyrische Ich doch ziemlich genau das, was man sich so unter Berlin vorstellt – wenn man lange nicht mehr da war. „Sie frisst euch alle auf*, heißt es im Titelstück über diese Stadt, aus der alle weg wollen, von der sie sich aber doch unweigerlich angezogen fühlen. Spillsburys Instrumentalist Tobias Asche hat auf die Frage, welcher Raum denn nun die Erfahrungsgrundlage von Jiaus“ darstelle, ein Schulterzucken übrig: „Großstadt eben“, sagt er und fugt noch an, dass Hamburg eh die einzige Stadt sei, in der man leben könne.

Hätte man sich denken können, raucht Asche doch P&S, die klassische Zigarette der Hamburger Schule, während Sängerin Zoe Meißner neben ihm im Münchner Cafe Mozart sitzt und einen Erdbeereisbecher löffelt. Die „Maschine Hamburg“ fungiere in Spillsburys schnellen Liedern als „Metapher für die Routine des Lebens“, sagt der 26-jährige Asche. Auch die Tätowierung auf seinem linken Unterarm, die einen gehenden Mann in einem Rad zeigt, habe etwas damit zu tun: „Man muss sich bewegen, damit etwas passiert. Man darf nicht erwarten, dass das automatisch geht.“

Auch Spillsburys Songtexte haben zweifelsfreie Botschaften, die sehr gut verständlich vorgetragen werden. Zoe Meißner singt mit einer selbstbewussten Stimme, die niemanden braucht, weil sie auf- und abgeklärt ist: Jeder kriegt den Scheiß, den er verdient!“ Kein Genuschel ist zu hören, alles akkurat deutsch und deutlich. „Englisch ist immer rund und schön“, sagt Zoe Meißner, „Deutsch hingegen ist schön kantig.“ Wovon man sich im Cafe Mozart auch auf der Stelle überzeugen kann, als am Nebentisch einer Ausländerin erklärt wird, dass es „das“ und nicht „der Schnitzel“ heißt.

Tobias Asche legt Wert darauf, dass die Songs „keine Phrasen enthalten, die noch nie ein Mensch gesprochen hat“. Er hat die Lieder mit Mitwipp-Rhythmen unterlegt, doch die Androhung einer Eskalation schwingt bei dieser Musik stets mit Das vom Synthesizer dominierte Debütalbum vermittelt etwas von der Monotonie eines städtischen Malocherlebens, in dem ein Amoklauf jederzeit möglich ist. „Unser Sound ist auf irgendeine ‚Weise geladen“, sagt Zoe Meißner: „Nennen wir es Hoch-den-Arsch-Musik!“ Der Gefahr, dass ihr Schaffen sich in der Wiederholung, die es beklagt, erschöpfen könnte, ist sich auch Asche bewusst: „Mit den nächsten zwei, drei Liedern wird sich das entscheiden.“ Nur müssten sie dafür endlich wieder zum Musikmachen kommen: Schon die Debütanten Spillsbury klagen über ihre Verstrickungen in die Maschinerie des Musikgeschäfts, die sie von der eigendichen Arbeit abhalten. Dabei sind sie gar keine Vollzeitmusiker, und wenn es nach ihnen ginge, könnte das ruhig so bleiben: Die 20-jährige Zoe nimmt bald ihr Biologiestudium auf. Wenn es bei ihnen so gut läuft, gegen wen richten sich dann die wütend gesungenen Unabhängigkeitserklärungen? „Alles, was wir tun und lassen, geht euch überhaupt nichts an“, heißt es in einem Lied.Jetzt spricht Asche von seiner Abneigung gegen die „Parkwächter-Mentalität von Leuten, die sich in Sachen einmischen, auch wenn sie gar keine Aktien drin haben“. Zoe nickt Und beide rauchen noch eine P&S.

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