Porträt

Queen Elizabeth II: Royales Chiffre für die Popkultur der Migranten und der Working Class Kids

In ihrer 70-jährigen Regentschaft wurde Elizabeth II. von der pflichtbewussten Jungkönigin zur Pop-Ikone in quietschbunten Ascot-Hüten

Der Rock’n’Roll war noch nicht erfunden, als Queen Elizabeth am 2. Juni 1953 in der Westminster Abbey zur Königin gekrönt wurde. Ein Blick auf die zeitgenössischen UK-Charts zeigt korrekt frisierte Anzug-Crooner wie Perry Como, Frannkie Lane oder Eddie Fisher in den Top-Five-Positionen. Der weitgehend vergessene Guy Mitchell stand im September ’53 mit „Look At That Girl“ auf Platz eins. Arrangierte Orchester-Musik mit schmalzigem Gesang.

Mit dem angehimmelten „Girl“ war keineswegs die junge Regentin des damals noch existierendem British Empire gemeint, die mit 27 Jahren nach dem Tod ihres Vaters quasi auf den Thron katapultiert worden ist. Die aufwendige Krönungs-Zeremonie in London war zwar eine der großen TV-Übertragungs-Sternstunden der BBC; von „Pop“ im Andy-Warholschen Sinne war weder in England noch sonst irgendwo im United Kingdom die Rede. Die Insel steckte noch bis in die 1960er in der entbehrungsreichen Nachkriegszeit, mit Wohnungsknappheit und Lebensmittelkarten. Als im besiegten Deutschland bereits das Wirtschaftswunder angesprungen war, herrschten im imperialen Kernland noch Grau- bis Anthrazit-Töne vor. Keith Richards von der Rolling Stones erzählt davon als Londoner Vorstadt-Kid in seiner Biografie. Bis zur Erfindung der Beatles, denen die Queen später einen Members-of-British-Empire-Orden (M.B.E.) verlieh, sollten noch einige Jahre vergehen. Andere Popstars bekamen später auch Hosenband-Orden (O.B.E.) von ihr angesteckt.

Queen Elizabeth

Jedenfalls mussten sich die Windsors zwar mit Skandalen und einem erzkonservativen Zeremoniell herumschlagen. An einen subtilen Angriff von jugendlichen Arbeiterkindern auf die Monarchie (wie später zu Punk-Zeiten) dachte Mitte der 1950er noch niemand.

Das sollte sich schleichend ändern, mit Skiffle, Folk und dem Einfluss der Schwarzen Musik aus den USA, die über die großen Überseehäfen wie Liverpool und Plymouth durch Seeleute und Auswanderer aus der Karibik ins Land kamen.

Die Queen feierte 2012 ihr 70-jähriges Thronjubiläum (die Krönung wiederum erfolgte mit einem Jahr Zeitverzug …) mit einer Leistungsschau der UK-Popszene. Etwa mit Mega-Klampfenbarde Ed Sheeran, für den Elizabeth einfach nur „perfect“ war. Aber auch die zusammen gewürfelte Mischung aus George Ezra, Elbow, Queen (mit Mercury-Ersatz Adam Lambert), der ESC-Zweite Sam Ryder oder US-Gast Diana Ross zeigt, wie sehr sich die Verhältnisse doch in den sieben Jahrzehnten ihrer Regentschaft gewandelt haben.

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Sie selbst, so war in der britischen Presse zu lesen, hört gern Tracks aus Musicals und ist seit den Beatles immer wieder angetreten, Rock- und Popmusiker in den Adelsstand zu erheben. „Pop“ war bekanntlich in den 1960ern zu einem der großen Exportgüter des schlingernden Ex-Weltreichs geworden. Da kann man die wilden Protagonisten auch mal mit einem Orden behängen.

Die Beatles, die ihre „Britishness“ als einer der ersten Bands generalsstabsmäßig in ihr Marketing aufnahmen, erhielten im Oktober 1965  ihre „M.B.E“-Abzeichen: Member of the Most Excellent Order of the British Empire. John Lennon wollte seines später nicht mehr.

1969 besangen die späten Beatles ihre Elizabeth mit dem vielleicht ersten „hidden track“ der Rockgeschichte am Ende ihres Albums „Abbey Road“: Der Song heißt „Her Majesty‘s“, Paul McCartney schwärmt vom „pretty nice girl“, aber „she doesn’t have a lot to say“. Er persönlich wurde 1997 in den Adelsstand erhoben. Pop hatte den Marsch durch die royalen Institutionen längst angetreten.

Zum Silbernen Thronjubiläum 1977 kam mit dem Polter-Klopper „God Save the Queen“ die große Attacke. Eine furiose Anti-Hymne, die das UK-Königshaus seinerzeit geflissentlich ignorierte. Ende der Siebziger hatten sich die Arbeiterkinder auf das Königinnenhaus eingeschossen. Ihre Layouter strickten die königliche Ikonografie zu ihren Zwecken um.

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Punks mochten sie nicht, aber „Pop“ und „Rock“ wurden  vom Apparat der Queen vereinnahmt. Auch Cliff Richard, Elton John, Tom Jones, Rod Stewart, Barry Gibb (Bee Gees), Ray Davies (Kinks) oder Mick Jagger bekamen von Elizabeth den Ritter-Titel umgehängt. In seiner Trauerbekundung für die Queen am Donnerstag verwies auch Sting auf seinen CBE-Titel, Commander of the Order of the British Empire, die ranghöchste an Nicht-Blaublütige zu vergebene Auszeichnung, abgesehen von den „Rittern“:

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Smiths-Sänger und Motzbruder Morrissey wiederum arbeitete sich notorisch an den Royals an. Im Zentrum seiner Angriffe etwa der The-Smiths-Song „The Queen Is Dead“. Darin fordert er mit lyrischem Aplomp für 1986 die Revolution und den Galgenstrick für „her very lowness with her head in a sling“.

Es ist dieses mal ironische, mal politisch aufgeladene, mal liebevolle Wechselspiel, was die Popmusik im UK mit seiner ewigen Herrscherin verbunden hat. Ihre giftgrünen Mäntel, ihre gelben Tortenhüte und pinken Handtaschen waren nie soweit von Elton John und anderen Stylern entfernt. Auf ihre abgehobene Art war die Queen selbst ein Popstar ohne musikalische Ambitionen. Sie hätte diesen Befund sicherlich hüstelnd abgestritten.

Universal History Archive Universal Images Group via Getty Images
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