Raus ins Graue!

Nach schweren Depressionen entdeckt Mark Linkous von Sparklehorse HipHop, Danger Mouse und die späten Beatles

Drei, vier Jahre ist es her, dass man von Mark Linkous gehört hat. Damals gab es Tourneen mit den Fläming Lips und vergleichsweise viel Feedback für „It’s A Wonderful Life“, das dritte, wundervolle Sparklehorse-Werk. Dass danach die Funkstille noch vehementer ausfiel als in der Vergangenheit, hat mit der alten Geißel des Mark Linkous zu tun, der Depression. Die hat dieses Leben schon in der Vergangenheit schwer gezeichnet und mindestens einmal dem Tod nahe gebracht, als Linkous eine medikamentös bedingte Ohnmacht nur knapp überlebte. „Ich kämpfe diesen Kampf schon seit ungefähr 20 Jahren“, sagt Linkous, ein freundlicher Mann mit leiser, resignierter Stimme, „aber diesmal war es anders, dramatischer… Ich habe über drei Jahre den Kontakt verloren… Ich habe wohl noch gern herumgesessen und mir ein Lied vorgesungen, aber an Aufnahmen war nicht zu denken. Ich wollte einfach, dass alles aufhört.“

Wie schon früher waren es Freunde, die Linkous aus der Versenkung holten, indem sie ihm Musik schickten, die ihn inspirieren und ihm mögliche Kollaborateure nahebringen sollte. Die Zusammenarbeit mit Kollegen wie Tom Waits, Portishead und PJ Harvey spielte in diesem Leben ja schon oft eine wichtige Rolle, und auch diesmal war es eine Kollaboration, die die Zeit des Schweigens beendete. Jemand hat mir das ‚Grey Album‘ von Danger Mouse geschickt, und ich war wie vom Donner gerührt“, erzählt Linkous, „ich hatte wieder angefangen, die späten Beatles zu hören und viel sehr reduzierten HipHop, und da kam diese Platte, die beides miteinander verband.“

Für ein erstes Treffen mit Danger Mouse bereitete Linkous ein paar lose Skizzen vor und ließ den Copy&Paste-Artist und Gnarls Barkley-Macher die Elemente hierhin und dorthin schieben, bis sich die Lieder ganz anders anhörten als vorher.

Obwohl im Endeffekt nur drei, vier Lieder dieser Zusammenkunft auf „Dreamt For Lightyears In The Belly Of A Mountain“gelandet sind, ist das neue Sparklehorse-Album an vielen Stellen von einer digitalen Ästhetik geprägt, vom Schnipseln, Verkleben und den vielen Möglichkeiten. Man hat Linkous ja schon öfter vorgeworfen, er würde fehlende Songs durch ausgeklügeltes Drapieren ersetzen. Nun schafft Linkous aber auf diesem Weg vielmehr die Kulisse für ein anderes, viel wichtigeres Vorhaben.

„Das Album sollte für eine Weile ‚Fear Of Pop‘ heißen“, erzählt er. „Das war ja schon immer so bei mir – ich liebe Popmusik, z.B. die der Beatles, aber wenn ich selbst eine Melodie in der Richtung hatte,dann schien sie immer so anachronistisch, irgendwie falsch. Es kommt mir halt seltsam vor, dass solche Lieder aus einem so depressiven Hirn kommen sollen.“ Jedenfalls sind sie jetzt da, und das ist ein Grund zur Freude. Auf „Dreamt…“ ist viel großartige Musik, die tatsächlich die späten Beatles evoziert. Wobei Linkous, der wie früher fast alle Instrumente selbst spielte, natürlich weiterhin verzerrt flüstert und sich in einem schwarzen Meer aus Traurigkeit badet. „Ich wollte viel weitergehen“, ereifert er sich ein bisschen, „das Ziel war, Lieder mit sehr klaren Refrains in eine Art Laptop-Ästhetik zu überführen. Aber das ist schwierig – die beiden Welten gehen nur schwer zusammen.“

Was indes jetzt besser zusammengeht als früher, sind der Künstler und das Business. Die Musikverwalter von Capitol haben schließlich das einzig Richtige getan und Sparklehorse an ihr Sublabel Astralwerks abgegeben, wo man Randgruppenmusik versteht und goutiert. „Es ist das erste Mal toll, zu Meetings zu gehen – das Team ist klein, alle lieben meine Musik, und im Flur hängen Poster von Boards Of Canada. Wow!“ Nun sitzt Linkous in seinem einsamen Haus auf einem Berg in North Carolina und macht sich bereit für die Welt, die in den nächsten Monaten für Konzerte bereist werden soll. „Ich bin stabiler als noch vor einem Jahr“, sagt er, „und habe mehr Vertrauen in das, was kommt.“ Hoffentlich nicht die Angst vor großem Pop.

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