Rausch und Raben

Als ich das erste Mal Tom Waits gehört habe, war ich 15. Ich war mit meiner Tanzgruppe am Theater Bielefeld engagiert und habe bei dem Stück „The Black Rider“ mitgespielt, zu dem Tom Waits die Musik geschrieben hatte. Ich stand in der Theatergasse und habe der Schauspielerin zugeschaut, die „I’ll Shoot The Moon“ gesungen hat. Ich musste fast weinen, weil ich so eine Sehnsucht in mir spürte. Ich kannte diese Sehnsucht schon vorher. Nur wusste ich bis dahin nicht, wonach.

Zur Musik von Tom Waits habe ich beschlossen, Schauspielerin zu werden. Das Unheimliche, Verführerische, Intensive und Rauschhafte dieser Musik -all das war die Bühne für mich. Wir waren der Bewegungschor und haben auf einer Drehbühne am Anfang des Stückes genau diesen verführerischen Part gespielt. Wir waren so etwas wie ein Traum oder ein Albtraum. Ausgerechnet den Rausch des Stückes hat man durch uns erzählt. Diese Form von Intensität ist bis jetzt geblieben. Du musst beim Spielen zu 100 Prozent in dem Moment sein, du kannst nicht gleichzeitig noch andere Gedanken in dir haben. Das ist der Rausch. Jetzt höre ich die Platte nur noch selten. Aber die Lieder kommen trotzdem einfach so in meinen Kopf. Am Anfang des Stückes wurde immer Rabengeschrei eingeblendet. Immer wenn ich jetzt Raben höre, stehe ich wieder auf der Bühne, zu Waits‘ Musik.

Jedes Bild auf dem Cover hätte nur gestört, hätte nichts damit zu tun gehabt, was ich damit verbinde. In unserer Version hatten die Figuren aus dem Stück bestimmte Farben: die männliche Hauptrolle, Wilhelm, der seiner Geliebten den Apfel vom Kopf schießen soll, der war gelb. Sie war blau, ihre Familie grün, der Teufel, Stelzfuß, war rot. Genau diese Farben sind auf dem Cover, nur mit Schwarz überkritzelt.

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