Rebellendämmerung

Es ist an der Zeit, laut zu werden in Europa. Es ist an der Zeit, dem stillen Schämen endlich eine Stimme zu geben. Dem Schämen über den hohen Preis, den der misslungene Versuch gekostet hat, Stabilität zu schaffen durch finanzielle, technische und militärische Unterstützung von diktatorischen Regimen. Und dabei immer auch in die eigenen gebeutelten Staatskassen zu wirtschaften; selbst, wenn man dafür Diktatoren wie Tunesiens Ben Ali, Algeriens Bouteflika oder Libyens Gaddafi hoffähig machen musste. Sie wurden umschmeichelt, auch um unerwünschte Flüchtlinge zurückführen zu können. Wie die dann in den Lagern in der libyschen Wüste behandelt wurden – darüber sah man so geflissentlich hinweg wie über den eigenen Wandspiegel, in den man sich schon lange nicht mehr zu schauen getraute. Schließlich galt es, die Festung Europa zu verteidigen – und den Wohlstand, der mit saudi-arabischem und libyschem Erdöl in den Westen floss.

Noch vor wenigen Jahren war Gaddafi mit Pomp und Gloria in Paris empfangen worden, konnte seine Beduinenzelte direkt gegenüber des Elysée-Palasts aufbauen, um dann an seinen damaligen Freund Sarkozy – jenen Präsidenten Frankreichs, der sich jetzt als Gaddafis Gegner in großen Gesten ergeht – lukrative Investitionsaufträge zu vergeben und für mehrere Milliarden Kriegsspielzeug zu kaufen.

Auch bei Berlusconi war der Spinner von Tripolis ein gern gesehener Gast. Die Männerfreundschaft zwischen dem „Cavaliere“ und dem „Colonnello“ machte Italien zu einem der wichtigsten Wirtschaftspartner Libyens. Solange, bis auch in Libyen die ersten Graffitis auf Häuserwänden zum arabischen Frühling erblühten und ihr Inhalt skandiert wurde: „Das Volk fordert den Sturz des Regimes!“ Der Freund wurde nun auch in Europa zum Feind: Die erkaufte und erschleimte Stabilität schmolz in einem Flächenbrand dahin.

Die Umstürze in der arabischen Welt führen uns vor Augen, dass Europa jahrzehntelang im Widerspruch zu den eigenen Werten gehandelt hat, die nur noch in Sonntagsreden hochgehalten wurden.

Was Europa jetzt braucht, ist Mut: Gemachte Fehler müssen unmissverständlich als solche deklariert werden. Darüber hinaus müssen wir eine wichtige Erkenntnis aus den Umstürzen in der arabischen Welt verinnerlichen, die vielen vorher doch unglaublich schien: Auch Muslime, ob mehr oder weniger gläubig, tragen die Sehnsucht nach Freiheit in sich. So autoritär und blutrünstig Religionen auch sein können, wie uns die Repressions- und Terrornachrichten aus dem Iran oder die Brutalität der Geschichte des Christentums in Europa vor Augen geführt haben: Auch in muslimischen Gesellschaften werden Menschen irgendwann einmal von ihren Emanzipations- und Freiheitswünschen überrollt. Und dadurch verändern sich diese Gesellschaften gewaltig.

Daraus folgt, dass wir den Begriff Stabilität für Europa neu definieren müssen. Wir müssen akzeptieren, dass die Menschen südlich des Mittelmeers einen Anspruch haben auf selbstbestimmte und lebenswerte Bedingungen. Und wir sollten es für absolut möglich halten, dass sich vielleicht in Zukunft der gesamte Mittelmeerraum zu einem demokratischen Gebilde entwickeln könnte.

Unsere Aufgabe ist es, diese Entwicklung mit einem gewaltigen europäischen Investitionsplan zu unterstützen. Zumal es doch auch in unserem eigenen ökonomischen Interesse liegt, dass im südlichen Mittelmeerraum perspektivisch eine sozia-le Marktwirtschaft entstehen könnte. Aber dafür müssen wir lernen, unsere Intentionen so zu buchstabieren, dass sie kompatibel werden mit den legitimen Interessen auf der anderen Seite.

Die arabischen Völker haben einen Sprung ins kalte Wasser der freiheitlichen, demokratischen Entwicklung gewagt. Weil wir aber wissen, dass solche Revolutionen nicht zwangsläufig die Entwicklung zum besseren Staat mit sich bringen, muss Europa zielstrebig und zugleich mit großer Sensibilität die Entwicklung von Zivilgesellschaften unterstützen. Ideell, konstruktiv und mit allen ehrenwerten Mitteln nach demokratischem Verständnis: von der Förderung staatlicher Institutionen bis zur Vermittelung von Verfassungs-Know-how. Die Vergabe von Camping-Lizenzen vor dem Elysée-Palast wird dann nicht mehr nötig sein.

ihre Uld, wenn sie ihre US-Tour unirFahrräder statt riesiger Giesiger Geländewagen zu sehen? wagen zu sehen? Die Rückeroberung dieser Vorbildrolle könnte helfen, der gesamten Diskussion eine neue Richtung zu geben. Und das könnte die gesellschaftliche Bedeutung der Musikbranche wiedschung sagte beim going green is like music coming home.“

Daniel Cohn-Bendit war Aktivist in den 1968er-Studentenunruhen, kam 1994 für die Grünen ins Europaparlament. Seit Januar 2002 ist er dort Co-Vorsitzender der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz.

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