45 R.P.M.
Ist nur konsequent, daß OASIS ihren „Hey Jude“-Overkill „All Around The World“ (Creation/Sony) mit einem Clip promoten, der das Yellow Submarine der Altvorderen in Overdrive zeichnet. Grandios. Doch hinterläßt ein so klangberauschender und farbenverschwendender Sixties-über-alles-Trip nach all den fluoreszierenden Effekten und euphorisierenden Sound-Substanzen vor allem ein großes Fragezeichen: Quo vadis, Oasis? Die B-Seiten geben darüber keinen Aufschluß. „The Fame“ ist eines von Noels autoreflexiven mid-tempo-Routinestücken, wo sich „man of choice“ auf „Rolls-Royce“ reimt und das Ende ein barmendes „it’s a shame“ bereithält. „Flashbax“, ebenfalls von Noel gesungen, könnte mit diesem angedeuteten Glockenspiel und gediegener Melodie als Nachspeise zu des Meisters „Magic Pie“ gereicht werden. Und „Street Fighting Man“ wird fast devot gecovert, gewinnt jedenfalls keine neue Dimension, nicht durch Liams militantes Raspeln, nicht durch die sägenden Gitarren, nicht einmal durch diese finster zusammengezogenen, furchteinflößenden Augenbrauen. Sie hätten sich dieses Songs angenommen, verkündete Gallagher der Gemeingefährliche unlängst, „just to piss Keith Richards off“. 4,5
Der ist sicher untröstlich. Seine Combo, THE ROLLING STONES, legt mit „Saint Of Me“ (Virgin) derweil eine neue Single vor, Dust Brothers-geschniegelt und gebügelt, aber im Kern gospelig und so geschichtsbeflissen wie einst „Sympathy For The Devil“: „John thee Baptist was a martyr/ But he stirred up Herod’s hate/ And Salome got her wish/ To have him served up on a plate.“ Lecker. Bildung ist doch etwas Feines. „People say I’m cynical“, klagt Privatdozent Mick Jagger auf der Rückseite „Anyway You Look At It“ zu Celli und akustischen Gitarren. Eine bittersüße Liebesballade voller lyrisch gepickter Moll-Akkorde, einer kurzen Keef-Vokal-Einlage und ganz ohne produktionstechnisches Teufelszeug. Die Stones haben es schon immer verstanden, Balladeskes auf B-Seiten zu bannen, von „Play With Fire“ über „You Can’t Always Get What You Want“ und „Through The Lonely Nights“ bis zu „The Storni“ und jetzt „Anyway You Look At It“.
Tb be continued, hopefully 4,5
DUBSTAR entfernen sich mit jeder Single weiter von ihren nordenglischen Punky-Pop-Roots. „I Will Be Your Girlfriend“ (Food) hat bereits kaltes Eurythmics-Kalkül und läuft gar Gefahr, ins superseichte Aqua abzurutschen: „I’ll complicate your life/ And you will have to tell your wife.“ Was hat die Welt diesen Dänen eigentlich angetan, daß sie glauben, uns dermaßen quälen zu müssen? 2,0
Man tauche Dolly Partons „Jolene“ in ein bonbonfarbenes, sehr sämig angerührtes Synth-Bad, und heraus kommt „Sylvie“ (Creation/Sony) von ST.ETIENNE. Zwei Jahre, nachdem das betuliche Pop-Trio von der Bildfläche verschwand (hat keiner registriert, ich weiß), kommt uns Sarah Cracknell kokett, als Lesley Gore der Neunziger gewissermaßen. Besungene Sylvie ist ihre kleine Schwester, siebzehn Jahr, grüne Augen, schrecklich cute und hinter Sarahs Liebstem her. „Leave him alone“, warnt die Ältere, „you know he’s mine“, aber: „Tm not sure that he’ll resist you.“ So launig das Leben, so launisch der Text, so lauschig die Melodie, so lau die Musik. 3,0
Die schwedischen HELLACOPTERS machen auf „Soulseller“ (RTD) Splatter-Rock und vulgarisieren auf der B-Seite die Dead Boys. 2,0
WILL OLDHAM singt David Allan Coe, ein kleiner Kauz verbeugt sich vor dem König der Käuze, dem Original-Outlaw, dem „Longhaired Redneck“, dem „Mysterious Rhinestone Cowboy“. Wobei „In My Mind“ (Palace/Drag City) freilich zum kommensurabelsten gehört, was je aus Coes Feder floß, ein weinerliches Rührstück über eine unsterbliche Liebe, von Oldham in gewohnt erratischer Weise schön zittrig vorgetragen zu sentimentaler Orgel und beschaulichen Country-Ersatz-Klängen. Paßt. 4,0