45 RPM

Schwer zu sagen, warum es so ist, aber das Epizentrum des globalen Steinschlags liegt derzeit in Lateinamerika: Eine chilenische Radiostation spielte JLike A Rolling Stone“ am Erscheinungstag 24 Stunden nonstop, und in Argentinien gab es für die Single bereits nach drei Tagen Gold. Möglicherweise grassiert das ROLLING STONES-Fieber beiderseits der Anden ja nur deshalb so heftig, weil dort ein ungeheurer Nachholbedarf an Stones-Mania bestand, den die „Voodoo Lounge“ auch nicht annähernd befriedigen konnte. Whatever, hierzulande sollte man über die zeitlose Brisanz des Songs und die Bedeutung dieser vortrefflichen Live-Version eigentlich nicht mehr viele Wirte verlieren müssen, außer vielleicht den Hinweis an die Adresse der Plattenfirma: „Like A Rolling Stone“ (Virgin) ist wirklich nicht „der Song, der ihnen ihren Namen gab“, wie es unter der grenzenlos euphemistischen Überschrift „Fact“ im Begleittext heißt. Good heavens. Von größerem Interesse ist die auf „Stripped“ nicht vertretene B-Seite „Black Limousine“: ebenfalls live zwar, aber mit mehreren Lagen elektrischer Gitarre ausgepolstert und etwas schneller und schnittiger als das Original.

Beinahe besser noch ist „Knievel“ (Sub Pop) von den mirakulösen SCUD MOUNTAIN BOYS aus Massachusetts, deren LP „Pine Box“, sinister und smooth, zu den wenigen wahren Highlights dieses Jahres gehört. Nicht zuletzt klanglich, obwohl das ganze Album mit nur einem Mikro, also mono aufgenommen wurde. Wahrscheinlich gerade deswegen. „Knievel“ versetzt sich in den Kamikaze-Stuntman, weniger evil als sensibel, endet aber böse und sarkastisch: „They got a bone in need of breaking.“

OASIS sind eine mächtig feine Band und „Wonderwall“ (Creation/Sony) einer ihrer herausragenden Songs, voller versteckter Anspielungen und so Sixties-verbrämt wie die B-Seite: „Round Are Way“ ist ein extrem robustes und lautes Stück Musik, das alle Register zieht, von brachialen Gitarren und keifenden Bläsern über Phaser-versprengte Drum-Fills bis zum nicht enden wollenden Outro mit extra zartem Schluß-Arpeggio. Overkill nennt man das. 4,5 HEAVY STEREO wollen T. Rex sein, aber mit Schmackes. „Smiler“ (Creation) ist allerdings nicht so eingängig wie der Vorgänger „Sleep Freak“ und meilenweit entfernt von der perfiden Ohrwurmigkeit der Bolan-Hits. Prima Glam-Pop ist es dennoch, und die strikt akustische Flipside „Cartoon Moon“, herbsüß und leicht halluzinogen, ist ein sehr willkommener Bonus.

Die junge Brigitte Bardot auf dem Cover ist lukullisch, doch die Musik von

FLÄMING JUNE aus Kalifornien erweist sich als recht zähes und mühseliges Hör-Erlebnis. Die Mühe lohnt indes: „Cameltone“ (Eskimo) ist adäquat schräg orchestrierter College-Pop der intelligenteren Art, während „Colossus“ wie The Cure zur Zeit von „Killing An Arab“ klingt, allerdings in very slow motion. Strange.

California zum zweiten: VELOURIA sind ein Trio aus L.A., dessen Mitglieder die College-Zeit schon hinter sich haben: „Mercury“ (Hell Yeah!) erinnert an die alten Stranglers, ist aber härter, gröber, punkiger. Die Melodie ist freilich stark genug, die Stimmen haben ausreichend Charakter, um das derbe Gitarren-Geschrammel vergessen zu machen.

Und California zum dritten: Hunderte von heißen Live-Gigs haben aus der DAVE AND DEKE COMBO ein formidables Vehikel für rasanten Rockabilly gemacht, urban und den schönen Dingen des Lebens zugewandt, wie man es an der Westcoast liebt. „Chrome Dome“ (Bücket Lid) geht dann tatsächlich auch ab wie ein geölter Blitz – und in einer Minute und 47 Sekunden ist schon wieder alles vorbei. Play it again. And again…

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