45 RPM von Wolfgang Doebeling
Wenn die Wall Street niest, können sich auch kleine Labels einen Schnupfen holen. Als Folge der Polygram-Übernahme durch Seagram wurde zunächst das traditionsreiche Imprint A&M Recotds eingestellt, was wiederum ein Dutzend Labels freisetzte, die von A&M vertrieben und vermarktet wurden. Darunter das trefflich benannte Superior Quality Recordings. Outlet für unsere Freunde THE BLUETONES. Nun sind die sehr erfolgreich und könnten binnen kurzem einen neuen Distributions-Deal abschließen, doch wären sie nicht die Bluetones, wenn sie sich nicht obstinat gerieren und ihre wohlbekannte Biz-Skepsis lautstark demonstrieren würden. Im übrigen seien die Singles schon gepreßt gewesen, machen sie geltend. Kurz und gut: Die neue Bluetones-45 „4-Day Weekend“ gibt’s nur per Mailorder (The Bluetones, P.O. Box 3836, London NW 3 4 XF). Drei Pfund Sterling kostet die 7inch, und man erhält neben dem ungestümen A-Seiten-Rocker aus dem „Last Chance Saloon“ als B-Seite eine satte Version von Neil Youngs „Mr. Soul“, druckvoller als das Buffalo Springfield-Original, aber werkstreu. Für zwei Pfund mehr gibt’s auf der 12inch überdies „Pretty Ballerina“, in der 67er Urfassung von Left Banke hübsch fragil, von den Tones eher einen Hauch zu elegisch angelegt Cash ins Couvert Porto nach England: eine Mark zehn. 4,0
Ebenfalls zwei bislang unveröffentlichte Stücke finden sich auf „Way Over Yonder In The Minor Key“ (Elektra) von BILLY BRAGG & WILCO. Die eher beschauliche Folk-Ballade „Bugeye Jim“ und das agitatorische Schulterschluß-Lied „My Thirty Thousand“, in dem Texter Woody Guthrie seine Legionen gegen den Klu Klux Klan führt Siegreich, gottseidank. Wer diese kongenialen Guthrie-Vertonungen schätzt, darf sich schon aufs kommende Jahr freuen. Im Frühjahr wollen Bragg und Wilco ein Sequel zu „Mermaid Avenue“ aufnehmen. An Material mangele es nicht, wie der Sozialist des Herzens bei seinen recht fulminanten Konzerten im Herbst berichtete. Righton. 4,0
ASH im Aufwind: „Wild Surf“ (Homegrown/Edel) ist ihre beste Single seit „Uncle Pat“ von 1994, famos rockend und mit einer nur scheinbar spröden, mit jedem Hören gewinnenden Melodie ausgestattet. Die non-LP-Rückseite „Stormy Weather“ ist langsamer, sanguinischer, hymnischer. Heavy Folkrock sozusagen. 3,5
HURRICANE # 1, vielgehandelte Hoffnung des vergangenen Jahres, wähnten manche schon in einer Versenkung verschwunden. „Rising Sign“ (Creation) dürfen wir indes wörtlich nehmen: Tour-de-Force-Britpop der Klasse ’97, samt Oasis-Melodie, stoisch leiernden Gitarren und bei fast neun Minuten Spieldauer (33 R.P.M.!) auch mit den nötigen Ausmaßen versehen, um als „Be Here Now“-Outtake durchzugehen. Toptune, mate. 3,5
Rockabilly mit dem korrekten Quotienten aus Attacke und Kontrolle, aus Country-Swing und Popsensibilität, aus Fifties-Hermeneutik und jugendlichem Elan spielen SPODEE-O-DEE aus Berlin. „Hurt Again“ (On The Hill/Bear Family) hat fraglos Klasse, auch wenn die Lead Vocals im unteren Register etwas schwachbrüstig klingen. Die Instrumentation trat indes mehr als manierlich, und der selbstgeschriebene, an Vorbilder wie Jack Scott oder Glen Glenn erinnernde Song ist richtig gut. 3,5
Prima ist auch die „Fae Rissoles & Chicoree“ EP von der noch sehr jungen Girl-Band MIYAX, die ihren lustvoll engagierten Noise-Pop auf dem Düsseldorfer Grrlsm-Vinyl-Imperium Thunderbaby Records veröffendicht. Rund 20 7incher haben die militanten Babes in rund 7 Jahren herausgebracht, auf farbigem Wax, in allerliebsten Sleeves. Musikalisch ist nicht alles berückend, manches ist nur verwegen. Vieles aber ist reizvoll, energetisch, chatnant, sexy. Ein Label mit viel Gefühl und jede Menge Stil (Hasselstraße 120, 40599 Düsseldorf). Vom schmallippigen, biedersinnigen, verbiesterten Proto-Feminismus sind diese Mädchen weiter entfernt als vom Mond. Wie heißt es so schön im Label-Info: „Daß viele Typen gestört sind, wissen heutzutage sogar die Jungs!“ Und weiter: „Cool Chicks Kick Ass!“ Ein Sub-Label für LP’s ist auch schon gegründet: Thunderwoman. Wir sind natürlich sehr gespannt 3,5