45R.P.M :: VON WOLFGANG DOEBELING

Es war im Sommer 1967, love &peace, da fabrizierte ein junger Bursche aus Georgia namens Billy Joe Royal mit Hilfe seines Freundes Joe South ein pfiffiges Stückchen Pop, das sie „Hush“ nannten. Nichts Besonderes, aber höllisch eingängig. Royais Stimme klang ein bißchen nach Gene Pitney, das Backing war wie von einer Neil-Diamond-Platte, konzis und s wingend. Einfach cool. Ein Jahr später griff sich die englische Rockband Deep Purple das Ding, extrapolierte grölend den etwas fragwürdigen Na-na-na-na-Chor, pflügte populistisch noch einige kreischende Gitarren unter und machte aus „Hush“ einen stampfenden, pseudo-psychedelischen Bubblegum-Gassenhauer. Simply uncool Drei Jahrzehnte sollte es dauern, bis der Ohrwurm wiederentdeckt wurde. Von KULA SHAKER. Deren „Hush“ (Columbia) ist, wen wundert’s, ein Derivat des Purple-Pfiischs, geht aber völlig into overdrive: Die Orgel jault, die Gitarrenhälse werden schändlich malträtiert, und der Sänger schlackert mächtig mit den Schlaghosen. Totaüyfucking uncool. 2,0

Wie man aus einer uralten, ultrafamiliären Vorlage noch etwas Neues, Verführerisches zaubern kann, zeigt die völlig obskure MADAME X mit „Tunnel Of Love“ (Estrus), im Original von Wanda Jackson und in den letzten Jahren oft und gut gecovert, von den Tumbling Hearts etwa und von Tav Falco. Madame X widersteht der Versuchung, die wunderbare Melodie zum x-ten Mal harmonisch zu melken und setzt statt dessen ganz auf den Faktor Swing, indem sie den Rhythmus verlangsamt und die Begleitung auf eine sparsame, jazzige Gitarre reduziert. Dazu lasziver, leicht verruchter Gesang, lässiges Fingerschnippen und ein Klasse-Song, mehr braucht’s nicht. 4,0

Wer sich an einer Kreuzung zwischen den Byrds und Stone Roses delektieren kann, oder hängen wir den Vergleich etwas niedriger, zwischen Big Star und Teenage Fanclub, wird THE DIGGERS ins Herz schließen. „O. K. Alright“ (Creation), die zweite Single des schottischen Quartetts, besitzt nicht ganz das Format des Vorgängers „Nobody’s Fool“, ist wie dieses Debüt-45 aber zugleich Frischwärts-Pop und Seitwärts-Folkrock. 4,0

Ganz und gar abseitig sind die COUNTRY TEASERS, die „Tough Luck Onjock“ (Nana/Semaphore) mit einer so räudig zerkratzten Slow-Motion-Destruktion der hehren Deutschland-Hymne einleiten, daß sich „Star Spangled Banner“ von Jimi Hendrix dagegen ausnimmt wie ein zackiger Militärmarsch.

Genuiner Low-Fi-Schrott, Salz in der Wunde, Teasers über alles, über alles in der Welt. Naja, fast. 3,0

Die PERNICE BROTHERS sind ein Ableger der süperben Scud Mountain Boys, deren Vormann Joe Pernice auf Jimmy Coma“ (Sub Pop) mit seinem Bruder Bob und drei weiteren Musikern wohl ein Outlet gefunden hat to let it allhangout,jenseits der strahlenden Akkuratesse seiner Scuds. melodisch durchaus diszipliniert, aber lärmender, Becken-lastiger, nachlässiger, lustvoller. 4,0

Slow River Records ist ein überaus rühriges Label aus Massachusetts, dessen 7inch-Output durchweg brillant ist (via Glitterhouse): „Dream“ von LINCOLN ’65 hat die klaren Konturen und wohldefinierte Ebenmäßigkeit der Cowboy Junkies, klingt aber gleichsam muskulöser, während „Beer Belly“ von den BUCKETS rustikal und ohne viel Federlesens zur Country-Sause kommt, und die von David Lowery (Cracker) produzierte LAUREN HOFFMAN aus Virginia mit „Fall Away“ ein matt glänzendes, unpoliertes Kleinod vorlegt, verboten und verlockend zugleich. Alle 4,0

Höhepunkt der Slow River-Reihe ist freilich „The Doris Days“ von TOM LEACH, ein rumpelnd-robuster und souveräner Country-Rocker, der neben Backing Vocals von Vic Chesnutt auch noch mit dem unerwarteten Luxus eines sanft-resignativen, wunderschönen Textes voller ironischer Wortspiele aufwartet More.please. 4,5

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