Abwärts – Move Under Ground
„Abwärts – Move Under Ground“ von Nick Mamatas läßt zwei Mythen der Popkultur gegeneinander antreten: H.P. Lovecrafts Cthulhu, den „schwarzen Träumer“, das Böse an sich, das hier allerdings nicht so richtig zu erschrecken vermag, gegen Jack Kerouac, den Hipsten der Hipster, den exemplarischen Beat-Generator, den „Barden des stinkenden Steinhaufens“. Mamatas schlüpft als Ich-Erzähler in die Rolle des großen Duluoz und ist offenbar affiziert genug, um dessen schnelle, unkontrollierte, ekstatische Prosadiktion ganz authentisch nachzuempfinden und dabei doch nicht völlig epigonal zu klingen. Das Buch ist aber nicht nur stilistisch und strukturell – insofern es hier noch einmal „on the road“ geht – eine Hommage. Es erneuert auch Kerouacs Vision und Konfession vom alten, wahren Amerika, in der die Menschen noch wirklich ungebunden, schrankenlos und ohne Blitzableiter leben konnten. Cthulhu kehrt zurück, seine Tentakel verdunkeln den Himmel, aber nur der gesellschaftliche Bodensatz, die Beatniks, Penner, Hobos und Junkies können ihn sehen. Er verwandelt alle Spießer in Insektenmenschen und gewinnt sogar den archetypischen Tramp Neal Cassidy für sich, aber an Kerouac beißt er sich die Zähne aus. Sekundiert von William S. Burroughs, Kerouacs zynisch-intellektualistischen Antipoden, der denn auch einiges an Sottisen abbekommt, und bewaffnet mit ein paar Hektolitern Insektengift macht er sich auf nach New York, die Welt zu retten. Cthulhu ist hier nicht zuletzt eine Chiffre für die Moderne, das kapitalisierte, bürokratisierte, kontrollierte heutige Amerika, das nur vom Underground aus Rettung erwarten darf. Wie idealistisch das alles gedacht ist, weiß Mamatas selber, und er konterkariert sein Beat-Bekenntnis denn auch mit einem Epilog, der den ausgebrannten, bei seiner Mutter lebenden, vom eigenen Ruhm entnervten Reaktionär zeigt, der Kerouac am Ende seines Lebens tatsächlich war. Ein anspielungsreiches, aber die offensichtliche Kennerschaft des Autors nicht penetrant ausspielendes, halluzinatorisches, ein ziemlich beachtliches Debüt. (13,90 Euro)