AC/DC :: Stiff Upper Lip

Forever young – and loud! Hardrock wird hier unverbesserlich konserviert.

Wer diese Band mochte, der galt als Schmuddelkind. Man wurde angeekelt beäugt von den Eltern, Omas und Poppern und auch gefürchtet Ab bekennender Anhänger trug man ja sogenannte Kutten, Jeansjacken mit Stickern, die wie eine Rüstung wirkten. Das machte die blässlichsten Pennäler halbstark. Für Soziologen waren diese streunenden Wölfe, die man als Rudel in Einkaufszentren mit Dosenbier antreffen konnte, eine verdorbene Brut Auch unter Musikkritikern hatte man wenig Freunde. Der US-ZONE etwa strafte das Debüt „High Voltage“ mit einem Stern ab. 1980 dann waren AC/DC mit „Back In Black“ endgültig ganz oben. Damals waren die Australier die lauteste Band der Welt.

Heute gut die – nach Motörhead und neben Iron Maiden – hässlichste Band der Welt als Kuriosum; und ist mit dem 17. Album „Stiff Upper Lip“ zumindest in den deutschen Charts wieder auf den ersten Platz gekommen – vor den zeitgleich veröffentlichten Platten von Modern Talking, den Smashing Pumpkins und Oasis. Erstaunlich. Aber Dieter Bohlen muss sich nicht grämen. Hatte er doch davon profitiert, was nun auch AC/DC zuteil wird: Prolltum ist schick beziehungsweise kultig, was heute ja massentauglich bedeutet. Bäh, wie lächerlich, so geil! Nicht nur Musikblätter, auch TV-Zeitschriften und Nachrichtenmagazine berichten beflissen, selbst das Feuilleton zollt den Neandertalern des Hardrock plötzlich Respekt Denn in den Redaktionen sitzt die Generation der Mitt- und Enddreißiger, die nicht unbedingt Fans sein müssen, aber allemal unüberhörbar mit dieser Musik aufgewachsen sind. In einer immer virtuelleren Welt der Trends und Moden wird es als authentische Haltung empfunden, wenn jemand Jahrzehnte seinen Stiefel runterspielt wie AC/DC, die jedes hassenswerte Rock-Klischee erfüllen (nur keine aufgeblasenen Stars sind). Typen, die sich schlicht ihren weißen Arsch abrücken.

Angus Young wird mit seiner Gitarre im Anschlag auch auf der nächsten Tournee wieder wie ein Frosch japsend über die Bühne hüpfen, verschwitzt seine Schuluniform ausziehen – und vielleicht auch noch einmal sein Hinterteil entblößen. Und sein Bruder Malcolm hat mit ihm wieder peitschend-puristische Hardrock-Hymnen geschrieben, Variationen des immer gleichen Riffs, eine instinktiv erschaffene genialische Duftmarke. Stets hallen metallisch Angus‘ elektrisierende Soli zum Auftakt der Songs, die von knappen Akkorden und Brian Johnsons heiserem Gebrüll über ungezogene Dinge zum eruptiven Saitenshowdown getragen werden. Die Platte verflacht zum Ende hin, aber was stört das schon: Es gibt kaum eine Rockband, zu deren Songs man so prima Luftgitarre gniedeln kann. Sie spielen eigentlich Bluesrock (vor allem, als der Säufer Bon Scott noch sang), nur lauter eben, und haben dieselben Vorbilder wie die Rolling Stones. „Can’t Stop Rock’n’Roll“ heißt ein Song – auf fast jeder Platte bt ein solches Bekenntnis zu ihrer unendlichen Geschichte, innerhalb der AC/DC dem Alter trotzen. Ihre Platten, erzählt Angus weiterhin gerne, würden ihre Fans beim Erwachsenwerden begleiten.

Ja, ja, die Erinnerung. „Highway To Hell“ war mein erstes Album. Während einer Konfirmantenreise legten ältere Jungs im Freizeitraum eines Landschulheimes den Titelsong auf. So geschah es: Am Abend darauf bekam ich meinen ersten Kuss.

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