Air – Talkie Walkie

Ist mal wieder richtig schön geworden, das neue Album von Air. Sanft mäandernde Klangtexturen, Flöten, Glockenspiele. Sogar ein von Serge Gainsbourgs Weggefährten Michel Colombier arrangiertes Orchester erzeugt Stimmungen, so ergötzlich wie ein prasselndes Kaminfeuer und so herzerwärmend wie ein paar niedliche Hunde-Welpen.

Kitsch? Das kommt auf den Standpunkt an. Rebellenklischees von zornigen jungen Männern in testosterongetränkten Lederjacken ersparen uns Air immerhin. Schon das Debüt „Moon Safari“ (’98) war vor allem ein Füllhorn sämiger Melodien, Soundtrack einer scheinbar heilen Welt. „Man sollte sich dazu in einem Swimmingpool treiben lassen, aber ab und zu auch mal untertauchen – das gibt tolle Soundeffekte“, behauptete Nicolas Godin, die eine Hälfte des Duos, damals in einem Interview. Als Soundtrack zu Sofia Coppolas „The Virgin Suicides“ funktionierte das melancholisch kraftlose Schweben in der Musik von Air hervorragend. Auf „10.000 Hertz Legend“, dem zweiten Studioalbum, bemühten sich die beiden Franzosen jedoch zu sehr, das ungewollte „Easy Listening“ -Etikett abzustreifen. Wechselnde Gastsänger wie Beck oder Buffalo Daughter gaben dem gar nicht mal schlechten Album etwas Zerrissenes.

Auf „Talkie Walkie“ sind die 30-Jährigen nun wieder ganz die Alten: so schmeichelnd schwülstig, als wären sie zärtliche Cousins aus einem Siebziger-Jahre-Sofisex-Streifen vom Kaliber „Bilitis“. „Moon Safari – The Sequel“, gewissermaßen. JB Dunckel singt fast alle Stücke – das Instrumental „Alone in Kyoto“ stammt aus dem Soundtrack von Sofia Coppolas aktuellem Film „Lost In Translation“. „Hit“-Qualitäten hat jedoch allein „Surfin On A Rocket“. Der ebenso sanft wie unnachgiebig wiederholte Refrain erinnert an „Sexy Boy“ oder „Kelly Watch The Stars“. Eine sehnsuchtsvolle Hymne, die mit den Worten endet: „You never see me again.“ „Another Day“ klingt dagegen tatsächlich so durchschnittlich, wie es der Titel schon andeutet. „Alpha Beta Gaga“ mit seinem fröhlichen Pfeifen vor Banjo-Klimpern und Spacesounds aus Jean Michel Jarres Schule ist absolut famos daneben. „Run“ lässt die Multitracking-Chöre singen wie einst 10CCs „I’m Not In Love“.

Was bleibt, ist ein bourgeoises Vergnügen. Lounge Music Wohlklang. Harmonie. Was „Talkie Walkie“ letztlich rettet, ist seine süffisant dekadente Melancholie. Man spürt in jedem Moment: Dies alles ist bloß Spiel und Schein – die wesentlichen Dinge liegen dahinter verborgen. Doch wer ist der „Rebel Without A Pause“, der nicht einen Moment lang Luft holen möchte? Fürs nächste Album sollten sich Air doch ein paar neue Details einfallen lassen.

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