Ani DiFranco – Little Plastic Castle :: Cooking Vinyl/Indigo

Streitbare Feministin? Kompromißlose Indie-Verfechterin? Das Leben als Galionsfigur, es nagt schon ein bißchen an Ani DiFranco. »Als Künstlerin ist man immer auch Projektionsflache“, weiß sie. Oh ja. Also sitzt sie nun im „Glass House“ (Songtitel), je dunkler es wird, desto besser kann man reinschauen. Und jedes Foto, das irgendwo, irgendwann, irgendwie irgendwer geschossen hat, wird gleich „my new Statement for all of womankind“ (wie’s im Titelsong heißt). Was bleibt ihr anderes, als sogleich sarkastisch nach der „girl police“ zu rufen, die ja einen Bericht machen könne, wenn sich die Ikone Ani mal wieder nicht ganz Image-konform verhalte? Aber die kleine, große Frau aus Buffalo, New York liefert sie ja auch, die Projektionsflächen und Identifikationsräume. Ein Badezimmer-Drama wie „Two Litde Girls“ wird seine Adressatinnen ebensowenig verfehlen wie ihre unverhohlene Schwäche im Angesicht des Lovers („GraveD, wie die Bitterkeit und krletzlidbkeit von „Independence Day“, wie die ungeduldige, auch sexuell aufgeladene Erwartung von JLoom“, wie die wunderbare Vision einer großen Liebe im somnambul dahintrottenden „Pulse“. Ani DiFranco bleibt schonungslos privat und illusionslos politisch. In „Fuel“ berichtet sie von einem Sklavenfriedhof in Manhattan und textet: „May their souls rest easy now that lynching is frowned upon and we’ve moved on to the electric chair.“ Getragen oft von wohltuender Ambivalenz auf der Schnittstelle von Vortrag und Inhalt, laufen assoziative Kraft und direkte Wendigkeit ihrer Texte nur selten ins Leere. Wie im Ausbruchsversuch „Swan Dive“, wo sie sich als nicht mehr ganz so stolzer Schwan in Hai-verseuchten Gewässern wähnt und irgendwann droht: „Tm gonna pull out my tampon and statt splashing arourui…“ Nein, das ist dann einfach unappetlich. Und auch gar nicht witzig. Über der Diskussion um ihre Funktion als Galionsfigur ist oft genug zu Unrecht in den Hintergrund getreten, daß Ani DiFranco musikalisch nie allzuviel Wasser getreten hat Mit JLittle Plastic Castle macht sie nach der Sample-Arbeit für Utah Phillips – auch in eigener Sache ein paar kleine Schritte nach vorn, ohne die akustische Gitarre als Zentrum ihrer Performance aus den Augen zu verlieren, ^“uel“ tendiert als Forum für ihre rastlose Sprachkunst weiter in Richtung spoken word; die integrierten Bläser schmücken als Kontrastprogramm besonders „Deep Dish“, ein verunglücktes Bar-Rendezvous mit einem wundervoll absurden O-Ton-Intermezzo. Nur an der Trompete von Jon Hasseil im abschließenden „Pulse“ müssen sichdie Geschmäcker (wieder mal) scheiden. Solange Ani DiFranco einfach weiter ihrem musikalischen Instinkt folgt und den Stiefel, den sie gerade anhat, runterspielt, kann eigentlich nicht viel schiefgehen. Auch wenn es nicht einfacher geworden ist für sie: Galionsfiguren müssen eben manchmal ziemlich dünne Luft atmen. JÖRG FEYER

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