Anne McCue – Roll

Americana, Blues und Roots Rock aus dem australischen Delikatessenladen. Zerbrechliches, Wahnwitziges, Kraftmeierisches, auch textlich dabei stets auf des Messers scharfer Schneide. Grandiose Musiker, traumwandlerische Melodien. Keine Ausfalle, kein Mädchen-Rock, keine aufgesetzte Posen, keine Schminke und auch keine unnötige Ausstaffierung der durchweg grandiosen Songs. Und natürlich verstehen wir, weshalb Lucinda Williams die hier zu Lande eher unbekannte Anne McCue nach besten Kräften unterstützt.

„I feel alright for someone/ Who was kicked out of school/ I feel alright for someone/ Who was told she was a fool“, singt McCue im Titelstück wütend und zufrieden zugleich. Nicht ohne Grund: Mühsam hatte sich die Sängerin durch einige Bands gespielt (wie die Frauencombo Girl Monstar), ein Jahr in Vietnam gelebt, ihr Handwerk kontinuierlich verbessert und irgendwann in Tim Finns Studio das Debüt“Amazing Ordinary Things“ aufgenommen. Das geriet ziemlich beachtlich – und war außerhalb von Kanada trotzdem nicht erhältlich.

Amazing ordinary sind aber auch die Songs auf „Roll“ geworden. Viel braucht es nicht: eine brillant harmonierende Rhythm-Section, bestehend aus Dave Raven und Mitproduzent Dusty Wakeman, die besagt großen Songs McCues und eine einfache, bisweilen auch spröde Instrumentierung. Das wundervolle „Crazy Beautiful Child“ lässt zum Taschentuch greifen, „Nobodys Sleeping“ und „I Want You Back“ sind nichts anderes als Volltreffer, „50 Dollar Whore“ eine bittere Selbsterkenntnis. Die Lieder schwitzen und lassen zumeist die Muskeln spielen, dass es eine Freude ist.

Das prächtigste Stück des Albums ist jedoch das in bester Doors-Manier arrangierte, mehr als sechs Minuten lange „Hangman“. Die einfache, treibende Melodie, eine versprengte Orgel, dazu spielt McCue ein unglaubliches Solo auf der Slide-Guitar. Allein dieses Stück möge der nur stimmlich verwandten Sheryl Crow viele tiefe Sorgenfalten in ihr hübsches Pop-Gesicht treiben. „In the Valley of darkness/ In the Valley of night/ I saw my baby swingin/ In the pale moonlight“, singt McCue verheißungsvoll. Den Tanz mit dem Teufel gewinnt sie, und zwar spielend.

Am Ende gibt es die einzige Coverversion der Platte: Hendrix‘ „Ballad Of An Outlaw Woman“ passt wie die Faust aufs Auge und wird mit mindestens 100 000 Volt gespielt. Vielleicht trotzdem das einzig Überflüssige auf „Roll“, denn ihre Dämonen hält sich McCue mit dem eigenen Material ausreichend vom Leib. Und wem müsste sie noch etwas beweisen?

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