Arrival :: Grammatik des Weltalls
Wenn die Außerirdischen in Denis Villeneuves neuem Film landen, kann nur eine Linguistin helfen – jedenfalls wenn Amy Adams sie spielt.
Zwölf riesige Monolithen sind aus den Fernen des Alls in die Erdatmosphäre eingedrungen. Zunächst sieht man nur verwackelte und verzerrte, von mehr oder weniger hysterischen Stimmen unterlegte Bilder auf Bildschirmen. Die irdischen Machtblöcke stehen zusammen angesichts dieser Bedrohung von außen, richten Basisstationen ein, um die geheimnisvollen Eindringlinge zu erforschen: die Beschaffenheit der Objekte und die Mission der Besatzung. Auf die Hysterie folgt, wie bei den Affen zu Beginn von Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“, die Faszination.
Es ist ein Bild der Erhabenheit, als eines dieser gigantischen Objekte erstmals in voller Pracht ins Bild rückt, vielleicht 20, 30 Meter über einem Feld in Montana schwebend. In einiger Entfernung hat die U.S. Army ein Camp mit Wissenschaftlern und Militärs aufgebaut. Dort ist auch die Linguistin Dr. Louise Banks (Amy Adams) untergebracht, die mehr oder weniger in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von Colonel Weber (Forest Whitaker) aus ihrem luxuriösen Haus im Grünen hergeschafft wurde, um bei der Entschlüsselung der geheimnisvollen ersten erfassten Laute aus dem steinernen Raumschiff zu helfen. Bezeichnenderweise geht Weber in seiner Militärlogik davon aus, dass Menschen, die wie Banks Farsi beherrschen, sich auch mit Außerirdischen verständigen können, ganz so, als ob der Iran ein ferner Planet oder ein ferner Planet ein Schurkenstaat wäre. Und das sind natürlich schon erste Botschaften, die der kanadische Regisseur Denis Villeneuve („Sicario“) hier zu Beginn seiner Adaption von Ted Chiangs Kurzgeschichte „Story Of Your Life“ sendet: Es geht ihm nicht wirklich um Aliens, und die Kommunikation sollte man niemals dem militärischen Apparat überlassen.
Überwindung der Sprachprobleme
Sie müsse die Eindringlinge schon selbst sehen, um mit ihnen kommunizieren zu können, sagt die Empathikerin Banks, die ständig von Erinnerungen an ihre geliebte Tochter, die sie an ein seltenes Virus verloren hat, aus ihren alltäglichen Routinen und Überlegungen gerissen wird. Also startet eine Expedition in den Bauch des unbekannten schwebenden Objekts, an der auch der Mathematiker Ian Donnelly (Jeremy Renner) teilnimmt. Mit dem Kranwagen geht’s durch eine geheimnisvolle Öffnung, die sich alle 18 Stunden auftut, dann hilft die innerhalb des Monolithen herrschende Schwerelosigkeit weiter, zu einem riesigen Fenster zu gelangen, hinter dem dichter Nebel herrscht und zwei riesige krakenartige Wesen mit sieben Beinen (deretwegen sie bald Heptatons genannt werden) schweben. Louise ergreift die Initiative, versucht eine Annäherung auf sprachlicher Ebene, will ihnen menschliche (also amerikanische) Begriffe beibringen und ihre Sprache verstehen. Schnell wird klar, dass die unheimlichen Besucher sich nicht mittels Lauten verständigen, sondern durch eine aus kreisförmigen Gebilden bestehende Schrift, die sie in die Luft malen.
Wie Banks sich den beiden Wesen nähert, die Donnelly nach dem amerikanischem Komikerduo Abbott und Costello tauft, ihren Schutzanzug ablegt und den vermeintlichen Bestien ihre Hand entgegenstreckt, denkt man unweigerlich an Ann Darrow, die weiße Frau, die den monströsen Affen King Kong bezirzte. Und tatsächlich scheinen die beiden Heptaton-Jungs ihr zu vertrauen. (Schon interessant, dass auch hoch entwickelte Aliens ihre Raum- schiffe ohne Frauenquote besetzen.) Als die beiden allerdings etwas miss- verständlich von „Waffen“ sprechen, reißt dem – natürlich – chinesischen General Shang der Geduldsfaden, und er stellt den Außerirdischen ein Ultimatum. Doch genau zum richtigen Zeitpunkt gelingt Louise die Entschlüsselung der fremden Sprache, die nicht linear, sondern zirkulär angelegt ist. Wie übrigens auch – Wink mit dem gekrümmten Zaunpfahl – die Zeit. Allmählich wird ihr die wahre Mission der Eindringlinge klar. Sind sie gar in friedvoller Absicht gekommen?
Vereint gegen die Bedrohung
„Arrival“ ist ein äußerst unterhaltsamer, spannender und bildmächtiger Film, der mit dem Genre der Science-Fiction ebenso spielt wie mit den Klischees des Mainstreamkinos, der von der Liebe einer Mutter erzählt, den Grenzen der Sprache und dem Wesen der Zeit, vor allem aber, wie alle Science-Fiction-Filme, selbstverständlich von der Zeit seiner Entstehung, von der Notwendigkeit der Kommunikation und Zusammenarbeit angesichts der globalen Bedrohungen, die nicht aus dem Weltall kommen, sondern ziemlich irdisch sind.
Unter der Bedeutsamkeit der Botschaft und der Macht der Bilder leiden die Figuren ein wenig (der wahre Alien scheint hier Ian Donnelly beziehungsweise Jeremy Renner zu sein), und die Handlung springt am Ende etwas eilig zur Auflösung, aber solche Schwächen überspielt die fantastische Amy Adams natürlich mit schwereloser Leichtigkeit.