Außer Atem :: Die alte Garde stirbt – und Frankreichs Kino fehlen schon lange neue Ideen
Sie waren alle gekommen. Jedenfalls jene, die noch leben von der goldenen Generation des französischen Kinos, das einst Weltstars und Meisterregisseure hervorgebracht hatte. Alain Delon, Jean-Paul Belmondo, Charles Aznavour, Jeanne Moreau trauerten mit vielen anderen am Sarg von Jean-Claude Brialy, der kürzlich mit 74 verstarb. Und es lag noch mehr Wehmut über dieser gespenstischen Szenerie, die wirkte wie die letzte Einstellung in einem Film des bereits 76-jährigen Jean-Luc Godard, wenn man den zittrigen, gebeugten Aznavour, 83, den leicht aufgedunsenen Delon, 71, und Belmondo, 74, am Krückstock betrachtete. In Schönheit gealtert ist Moreau, 79, die zuletzt in Francois Ozons Drama „Die Zeit, die bleibt“ über das Sterben glänzte. Das unterstreicht, was bei Brialys Begräbnis deutlich wurde: Die Zeit läuft ab für Frankreichs ganz große Kinokünstler, und was bleibt, sieht zwar ganz gut aus, ist aber eigentlich schon seit langem scheintot.
Brialy war einst ein sehr enger Freund von Romy Schneider, deren 25. Todestag er nur um wenige Wochen überlebte. Im Nachhinein scheint der Tag, an dem sie 1982 starb, wie eine Zäsur im französischen Kino. Belmondo hatte 1981 mit „Der Profi“ seinen letzten wirklich guten Film gedreht, Delon schrieb und inszenierte seine Rollen und Actionfilme wie „Der Kämpfer“ von 1983 gleich selbst. 1984 verstarb mit Francois Truf f aut einer der wichtigsten Begründer der Novelle Vague. Sein Mitstreiter Godard führte nur noch ein Nischendasein, und Louis Malle verschwendete sich nach dem großartigen „Atlantic City“ (1979) in Hollywood. Nur Claude Chabrol, 77, macht weiter wie bisher, fast jedes Jahr ein Film, immer auf gehobenen Niveau, aber ohne noch etwas zu bewirken – und bevorzugt dabei Isabelle Huppert, die mit 54 neben dem 58-jährigen Gerard Depardieu zu den jüngsten der alten Garde zählt. Bis heute ist Depardieu auch Frankreichs letzter internationaler Star, allerdings mit bescheidenem Erfolg. Ähnlich ergeht es momentan Jean Reno, 59, und der 31 Jahre jungen Audrey Tautou, die beide in dem Blockbuster „The Da Vinci Code“ spielen durften, weil die Story halt in Paris und Umgebung angesiedelt ist.
Tautou ist eine wundervolle Schauspielerin, wie in dem Beziehungsdrama „Zusammen ist man weniger allein“ (Start 16.8.) zu sehen ist. Der Film hat jenen exzentrischen Charme, der das französische Kino immer schon ausgezeichnet hat. Doch es ist braves, tröstliches Kino, Familienkino der Versöhnung, auch mit der älteren Generation, repräsentiert von Francoise Bertin, die 1961 in „Letztes Jahr in Marienbad“ von Alain Resnais debütierte. Damals waren die Filme noch verrucht, amoralisch, aufsässig, auch revolutionär und träumerisch. Seit Jahren hat kein Franzose mehr eine Nominierungfür den Auslands-Oscar oder die Goldene Palme von Cannes erhalten. Stattdessen schottet die Nation das Bewährte mit einer Quote ab. und eigenwillige Erfolgsregisseure wie Luc Besson oder Jean-Pierre Jeunet werden von den heimischen Kritikern verdammt.
Dafür lieben sie den intellektuellen Ozon, der jetzt mit „Angel“ (Start 9.8.) einen üppigen Kostümfilm nach dem Roman von Elizabeth Taylor gedreht hat. Er ist mal Vincente Minnelli, mal Rainer Werner Fassbinder, jetzt Douglas Sirk, ein wahrer Tausendsassa also – aber wer und wie ist er als Regisseur wirklich? Ozon steht für sich. Wo das französische Kino steht und was bleibt, wird sich spätestens klären, wenn die Alten endgültig abgetreten sind.
LaBeouf mit Roemer in „Disturbia“ (u.), McGowan in „Planet Terror“ (o.) nicht überprüfen und kontrollieren kann, die er von seinem Zimmer aus im Nachbarhaus zu sehen glaubt, bleibt seine beschränkte Perspektive auch die der Zuschauer. Das ist ein Trick, der nicht mehr zu wiederholen ist, erst recht heute nicht, wo das Kino vor allem raumgreifend Bewegung und Beschleunigung produziert. Dennoch hat Regisseur Caruso den Grundplot mit den modernen Kommunikationstechniken geschickt in die Gegenwart des Teenie-Thrülers übertragen. Kaie (Shia LaBeouf) wird mit einer elektronischen Fußfessel zu Heimarrest verdonnert. Frustriert vertreibt er sich die Zeit mit heimlichen Blicken in die Nachbarschaft. Dabei interessiert ihn das süße Mädchen Ashley (Sarah Roemer) von nebenan – und der finstere Nachbar Turner (David Morse), den er für einen gesuchten Serienkiller hält. Der Schlussakt ist leider typisch Horror, bis dahin lohnen der pubertäre Witz und die pfiffigen Winkelzüge. 3,5