BAP :: Halv su wild

Niedeckens 17. Album ist wieder bewährt gefühlige Rückschau.

Nicht jede Zeile von Steve Earle ist ein neues Argument für das Pulitzer-Komitee. Nicht jeder Song von John Mellencamp beschreibt Amerika ohne Klischees und simples Pathos. Beinahe unangreifbare Instanzen sind sie dennoch. Einen von ähnlicher Bonhomie haben wir auch. Gutmenschen-Frotzeleien darf Wolfgang Niedecken längst abperlen lassen. Im 35. BAP-Jahr und zum 60. Geburtstag bietet das 17. Studioalbum, „Halv su wild“, bei stilistischer Beharrlichkeit 14-mal bodenständiges Songwriting. Songs mit echten Emotionen sind das, mit gelebten Erfahrungen, mit erinnerungswürdigen Melodien und trockenem Rock’n’Roll.

Wie von einem unbeirrbaren Kompass geleitet, rollen Gitarre, Bass, Drums und Keys durch traditionelles, steiniges Terrain. Niedecken bewahrt den Überblick – auch, weil er hörbar auf den Schultern dieser angloamerikanischen Giganten steht, ohne deren Klänge und Themen einfach geguttenbergt zu haben. Viele Stücke haben Rückschau-Charakter. In „Chlodwigplatz“ etwa setzt er wieder dem Nabel seiner privaten Welt ein Denkmal mit weltoffenem Reggae-Rhythmus, „Noh all dänne Jahre“ ist die sentimentale Bilanz eines Mannes irgendwo zwischen Start und Ziel, und „All de Aureblecke“ erinnert an bedeutungsvolle Momente.

Wir freuen uns, „Karl-Heinz“ im Duckwalk zu hören, wir erleben einen humorvollen Gott („Verjess Babylon“) und den Gehörnten, der „Enn Dreidüüvelsname“ mit zynischem Protzen über Missetaten in Dachau, New York und im Vatikan um Sympathie wirbt. Im intimen Liebesgeständnis an seine Frau, „Waat ens jraad“, findet Niedecken besonders persönliche Worte. So kann Rockmusik bewegen. (EMI) Rüdiger Knopf

The Unthanks ***¿

Last

Opulenter, nicht immer intensiver Folk der talentierten Schwestern

Mit „The Bairns“, dem zweiten Album von Rachel Unthank & The Winterset, fühlte man sich 2007 in eine lang vergangene Zeit zurückversetzt. Mindestens ans Ende der Sechziger, die große Zeit des britischen Folk-Revivals. Diese Musik atmete die klare Luft der Unschuld vom Lande. Aber zugleich steckte in – oder zwischen – diesen Tönen ein dunkles Geheimnis. 2009 veröffentlichte das um eine Rhythmussektion erweiterte Ensemble als The Unthanks mit „Here’s The Tender Coming“ eine hellere, süffigere Sammlung an Folkweisen und Coverversionen, immer noch herzallerliebst, aber nicht von der gleichen dunklen Magie erfüllt.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates