Beck – Odelay :: Erweiterte Ausgabe des eklektischen Großwerks von 1996

Pop-Alchemisten wie Beck sind eine seltene Spezies. Kelley Stoltz profiliert sich neuerdings manchmal als ein genialischer. Aber anders als Beck Hansen in seinen Anfängen praktiziert er nicht Collage als Prinzip, sondern sucht nach den Konvergenzen in den Ohrwürmern und von ihm „adaptierten“ Vorlagen seiner Idole, will das alles wieder wunderbar klingen lassen, was er von Kinks & Co. an Rock-Klassikern zitiert, um das in neuen Songs zu vermählen.

Beck ging da weit frivoler an die Arbeit, etwa wenn er in „Hi-Five (Rock The Catskills)“ unter anderem ein paar Takte aus Schuberts „Unvollendeter“ einflicht, ohne die Herkunft des benutzten Sample bzw. der speziellen Einspielung – wie sonst ehrlicherweise von ihm praktiziert zu benennen. Die Behauptung wiederum, dass „Jack-Ass“ ein Sample von „It’s All Over Now Baby Blue“ enthalte, war schon sehr frech. Denn genau genommen war das nichts anderes als die Cover-Version des besagten Songs von Them mit neuem Text! Egal, wie clever die Collagen manchmal montiert erschienen: Eine wie „Hot wax“ mit den Soul-, Tex/Mex-, Folk Blues- und HipHop-Zitaten entwickelte sogar lässig eine gewisse Komik.

Zwischendurch war er der Zauberkunststücke offenbar auch mal überdrüssig und musizierte gewissermaßen stilistisch“sortenreine“ Songs. „Lord Only Knows“ etwa ist ein großes Stück Country Music (irgendwo auch an den Ray Davies von „Muswell Hillbillies.“ erinnernd). Eine ergreifendere Folk-Ballade als „Ramshackle“ sang 1996 niemand.

Die ganze LoFi-Asthetik, die er von Anfang an fast schon mit missionarischem Eifer vertrat, produzierte hier- nur Joey Waronker am Schlagzeug hinten im Raum und Charlie Haden am Kontrabass als Begleiter — betörenden Wohlklang. Von der manchmal doch etwas nervenden Hansdampf-in-allen-Gassen-Arroganz war da nichts zu hören. Und da gab er sich auch überhaupt nicht als Schlaumeier und Pop-Bildungsbürger, als der er so oft – nicht ohne tatkräftige Hilfe anderer Sampling- und Remix-Spezialisten — mit seinem Material umging.

Letztere, die Dust Brothers, überwucherten mit ihren Ideen gelegentlich, was Beck als Singer/Songwriter vorlegte. Nicht „Where It’s At“ und sicher nicht „Ramshackle“, aber ein paar andere Produktionen schon. Wie das alles ohne solche Studio-Materialschlachten klang, hatte das weithin ungnädig unterschätzte „One Font In The Graue“ dokumentiert. Seinem Ruf als Workaholic war er mehrfach mit zwischendurch veröffentlichten Projekten wie der „Australian Tour Edition“ von „Odelay“ mit großzügigen Zugaben gerecht geworden. Da musste man nicht viel rätseln, klar war sowieso, dass bei den Sessions noch weit mehr aufgenommen worden war, als schließlich an final masters zur Veröffentlichung freigegeben worden war.

Von den unveröffentlichten Songs, den sogenannten B-Seiten und den Remixes sind letztere (ein auf Überlänge getrimmtes „Where It’s At“, der Live-Mitschnitt von „American Wasteland“ zu Punk-Overkill mutiert und „Richard’s Hairpiece“ alias „Devil’s Haircut“ mit schrecklich kindischen Aphex-Twin-Spielereien) die einzig überflüssigen. Der hier erstmals zu hörende „Inferno“-Rap belegt wieder, in welchem Maße man die Dust Brothers bei „Odelay“ auch als Autoren betrachten muss. Das stark folkbluesige „Gold Chains“ dagegen, den „T. B. Blues“ von Jimmie Rodgers zitierend, hat entschieden mehr mit Gram Parsons und auch „Sweet Virginia“ denn mit HipHop zu tun. So etwas wie das meditative „Brother“ hätte man eher von Will Oldham als Beck Hansen erwartet. Als kurzes, aber heftiges Stück Psychedelik-Garage überzeugt „Thunder Peel“ komplett wie auch die Blues-(Skip James‘ „Devil Got My Woman“) und Tex-Mex-Zugaben („Burro“, straight und hinreißend musiziert). Aber die schönste Zugabe hier ist „Feather In Your Cap“. eine Originalkomposition, gleichwohl sofort auch als Hommage an den Neil Youngvonca. 1970 zu verstehen. Das hätte das Konzept von „Odelay“ gänzlich gesprengt. Aber auf Deluxe-Editionen ist es willkommen.

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