Belle & Sebastian – Dear Catastrophe Waitress :: Sanctuary
Es gab Zeiten, da tönten aus der windschiefen Bruchbude Stuart Murdochs die schönsten aller Songs überhaupt. Isobel Campbell als verwundetes Rehkitz, Murdoch als weinerlicher Mitspieler. Songwriting ingeniös, Texte brillant.
Ein Retro-Zekfenster für all die beautiful losers und andere Wehmütige. Hier war die Zeit stehengeblieben. Guter Pop war es ohnehin. Irgendwann aber zog die schöne Isobel eine Schnute und verließ die Band. Auch nicht besser: Das Füllmaterial auf „Fold Your Hands“ (vier gute Songs), die halbgare Filmmusik „Storytellers“ (drei gute Songs). Und dann kam auch noch die Nachricht auf, dass „Dear Catastrophe Mfritress“ von Trevor Hörn (Frankie Goes To Hollywood, aber auch t.A.T.u.) produziert wird. Große Aufregung allerorten, doch völlig unbegründet.
Es scheint so, als habe Hörn der Band mehrere dringend benötigte Vitaminspritzen verpasst. Denn Belle & Sebastian haben zwölf von der früheren Langatmigkeit befreite Lieder aufgenommen, die sowohl verspielt, hymnisch, zum Weinen schön als auch (erträglich) obskur sind. Und überraschend muskuliös! Das Tempo ist deutlich angezogen, die Gitarren sind endlich hörbar, Murdochs Gesang nicht mehr nahe am Kastraten. The boy got balk now!
„Step Into My Office, Baby“ eröffnet mit keckem Rabatz und hat auch gleich alles: Flöten, Geigen, mehrstimmiger Gesang wie noch nie und A-capella-Passagen. Das anschließende Titelstück wirbelt in zweieinhalb Minuten und unter vollem Streichereinsatz durch Murdochs Gefühlswelten, „If She Wants Me“ gemahnt gar an die Beach Boys. „Asleep On A Sunbeam“ wäre normalerweise von der abtrünnigen Isobel gesungen worden, doch Sarah Martin ist ein würdiger Ersatz. Es geht um den Sommer, das Gras unter den Füßen, der Blick gen Sonnenuntergang, dazu wunderbare Bläsersätze (wie überhaupt auf dieser Platte) und verträumtes Gitarrenspiel. Klischeeschmusen zwar, aber es wird schließlich Winter.
„I’m A Cuckoo’s“ ist eine Reminiszenz an Thin Lizzy (I’d rather be in Tokyo/ I’d rather listen to Thin Lizzy-o“), „Wrapped In Books“ das beste Stück unter vielen sehr guten. Die Renovierung der Bruchbude war erfolgreich, willkommen im blauen Zimmer.