Bjjörk – Medulla
Die entscheidende Meldung zuerst: Auf Björks neuer Platte sind nur Stimmen. Weg von allen Werkzeugen und hin zum Humanen soll es gehen. Björk ist eine Nomadin, die nichts zweimal macht – da kann einem der Schritt in Richtung des primärsten aller Instrumente nicht komisch vorkommen.
Entsprechend ist „Medulla“ nicht bloß eine A-capella-Platte, sondern vielmehr eine Versuchsanordnung in 14 Schritten. Mit erstaunlicher Bravour gebraucht Björk sich selbst und ihre Sänger/innen als sich ständig wandelnden Klangkörper und zaubert immer neue Ästhetiken aus dem Hut: skurrile Rhythmusfiguren unter archaisch-tribalen Höhlengesängen („Where Is The Line“), sakrale Folklore („Vökuo“), Musik für Klanginstallationen im Museum für moderne Kunst („Piano II“, „Oll Birtan“), plötzlich fast poppige Akkordstrukturen („Who Is It“). Neben Chören aus UK und Island bringt Ex-Roots Rahzel sich ebenso ein wie Falsett-Exzentriker Robert Wyatt, Glass-Interpret Gregory Purnhagen und Faith No More-Gröler Mike Patton. Dann sind da noch die Langzeitfreunde Mark Bell, Valgier Sirgurdsson und Matmos, als Songwriter und Programmierer gelistet.
Ehrlich gesagt: Man ist zunächst ein bisschen enttäuscht von „Medalla“. Nach dem dramatisch menschelnden Soundtrack „Selmasongs“ und dem Liebeskokon “ Vespertine“ muss man sich Nahbarkeit hier erst wieder neu erkämpfen. Doch wer dazu nicht bereit ist, stellt sich der Wissenschaft in den Weg – und verpasst eine Platte, die natürlich wieder nichts weniger ist als eine große künstlerische Leistung.