Black Francis – Nonstoperotik :: Falsche Fährten
Trotz des Streicherfinales, trotz der sanften E-Klavier-Harmonien ist es ein Leichtes, einen Song wie „O My Tidy Sum“ anhand des schlurfenden Schlagzeug-Loops, des Bass-Stotterns, des frustrierten Lamentos des Mannes am Mikrofon als altersmildes Pixies-Spätwerk auszumachen. Seit Black Francis vor 17 Jahren diese Band auflöste, hat er gefühlte 100 Soloalben veröffentlicht – mal als Frank Black, mal als Black Francis -, hat sich immer neue musikalische Kostümierungen angeeignet. Und dennoch erwischen wir uns bei jeder neuen Platte, jedem neuen Lied dieses so überaus produktiven Songwriters dabei, dass wir nach Fährten suchen, die zurück zu den Pixies führen.
Natürlich ist das unfair. Und natürlich gelingt es Black Francis auch auf „Nonstoperotik“ nicht, uns davon abzuhalten. Wer sucht, der findet auch hier Pixies-Spuren. Nicht nur in „O My Tidy Sum“, sondern auch im vom Punkrock angetriebenen „Corrina“, im orgiastisch die Welt zur Hölle schickenden und dem Verlangen eine Hymne singenden „When I Go Down On You“, im an Hüsker Du gemahnenden „Cinema Star“ und besonders im überdrehten „Six Legged Man“.
Und dennoch macht „Nonstoporotik“ klar, dass Black Francis nicht mehr mit den Pixies verwechselt werden möchte. Das deutet schon der Opener „Lake Of Sin“ an, bei dem links und rechts eine Orgel in den Ohren klingelt, während Francis mit einem zarten, fremdartigen, desillusionierten Tonfall in der Stimme von den Sünden erzählt. „Lake Of Sin“ ist ein enervierender, spröder, knorriger Gitarrensong. Einer, der einem Angst macht, und bei dem man durchatmet, wenn er nach viereinhalb Minuten endlich vorbei ist.
„Rabbits“ dagegen gibt sich als Folksong mit verschwommener Optik, der in Lewis Carrolls Wunderland wildert und im Kaninchenbau verschwindet. Eher nach Roots-Rock klingt „Dead Man’s Curve“. Auch die sich selbst Mut zusprechende Boogie-Beschwörung „Wild Son“ verrät den Willen, sich in eine musikalische Welt zurückzuziehen, in der der Ausdruck „Alternative Rock“ noch nicht erfunden war.
Der Titelsong schließlich erweist sich als angespannte Ballade voller bockiger Harmonien, als widerborstiges Liebeslied, nah am Kitsch, aber dann doch dafür zu sperrig:. „Now I cannot hide, all this tension/ I wanna be inside/ That’s my intention/ Inside of you“. Und während die Gitarre die Tonleiter runter rutscht, spielt das Klavier ein niemals endendes Präludium. Und die Pixies sind vergessen.