Bob Dylan

The Other Side Of The Mirror

Jede Ära hat ihre Helden, und jedes Bedürfnis hat seine Lösung." Mit diesen Worten kündigte die Folksängerin Ronnie Gilbert am Nachmittag des 24. Juli 1965 einen Auftritt von Bob Dylan beim Newport Folk Festival an. "Einige Leute - die Presse, Zeitschriften - glauben, diese Helden zeigten den jungen Leuten den Weg", fuhr sie fort, "aber ich glaube, sie entstehen, weil es ein Bedürfnis nach ihnen gibt."

„The Other Side Of The Mirror“ zeigt Bob Dylans Auftritte beim Newport Folk Festival als Indikator für den politischen Wandel in den USA

„The Other Side Of The Mirror“, ein Film des New Yorker Filmemachers Murray Lerner, erzählt von sich verändernden Bedürfnissen und von neuen Helden. Es ist ein Film über die Entstehung dessen, was wir heute „Jugend“ nennen, ein Film über das New York Folk Festival zwischen 1963 und 1965, die Musik Bob Dylans und die Geschichte Amerikas.

Politik und Musik gehörten in Newport seit der ersten Ausgabe des Feistivals 1959 eng zusammen. Wichtige Protagonisten wie Alan Lomax, Theodore Bikel und Pete Seeger sahen im Folk das Ausdrucksmedium der einfachen Leute. Es ging ihnen nicht um Stars und Geld, sondern um Traditionen und Gemeinschaft. Als Bob Dylan im Alter von 22 Jahren 1963 zum ersten Mal dort auftrat, war er einer von ihnen. In Arbeiterhemd, mit energischem Gesichtsausdruck unter dem kurzen Schopf saß er gemeinsam mit Altvorderen wie Clarence Ashley und dem im Mai dieses Jahres verstorbenen Doc Watson auf der Bühne und sang Lieder, die klangen, als wären sie so alt wie das Land selbst, von Generation zu Generation weitergereicht – „North Country Blues“, „With God On Our Side“, „Only A Pawn In Their Game“.

Doch mit der Ermordung John F. Kennedys ein paar Monate später und der Amtseinführung des älteren, verknöcherten Lyndon B. Johnson wuchs das Misstrauen der jungen Leute gegenüber der Politik. Die Hoffnung, die eigene Zukunft und die des Landes durch persönliches Engagement mitgestalten zu können, war getrübt. Der Soundtrack zum Rückzug ins Private kam allerdings nicht aus den USA, sondern aus England: Die Beatles eroberten die Neue Welt.

Die Lieder, die Dylan 1964 in New-port spielte, standen nicht mehr im Dienst einer Gemeinschaft oder einer politischen Idee, sondern strebten nach Indiviualität und künstlerischer Freiheit. Die alten Folkpfade hatte er da schon verlassen, bald würde der Ruhelose auf den Highway 61 einbiegen, der seine Heimat Minnesota mit Elvis Presleys Geburtsstadt Memphis, Tennessee verband. „My weariness amazes me, I’m branded on my feet/ I have no one to meet/ And the ancient empty street’s too dead for dreaming.“

Das Attentat auf Malcolm X und Johnsons strikte Vietnampolitik vergifteten im Folgejahr das politische Klima in den USA zusehends. Die Stimmung wurde aggressiver. Und mit ihr die Musik. Bob Dylans Arbeiterhemd war beim Newport Folk Festival 1965 einer Lederjacke gewichen, die akustische Gitarre hatte er durch eine elektrische ersetzt. Hinter ihm stand die Paul Butterfield Blues Band. Die Musik war tumultös. „I don’t want to work on Maggie’s farm no more“, sang Dylan in seiner Version des alten Folksongs „Penny’s Farm“, als sei es seine individuelle Unabhängigkeitserklärung.

Mit der ursprünglichen Idee des Festivals hatte das natürlich nichts mehr zu tun – das Publikum buhte, Pete Seeger soll sogar, so die Legende, versucht haben, mit einer Axt die Stromversorgung zur Bühne zu kappen. Folkfans sprachen anschließend von Verrat und Ausverkauf. Bob Dylan war nicht länger einer von ihnen, keiner mehr, in dem sie sich spiegeln konnten. Er war der Inbegriff des Cool, ein neuer Held für neue Zeiten.

Live on Stage

Präsentiert von Rolling Stone

No. 5

Bob Dylan

„The Other Side Of The Mirror“

Murray Lerners Dokumentation „The Other Side Of The Mirror“ ist der fünfte Teil einer exklusiven DVD-Reihe, die der ROLLING STONE in Kooperation mit Sony Music präsentiert. Alle der unten aufgeführten Titel erscheinen zunächst in der limitierten Tin-Box, die Liner Notes stammen von der Redaktion. ROLLING STONE-Leser können die Gesamt-Edition für 105 Euro, Abonnenten zum Vorzugspreis von nur 99 Euro hier bestellen:

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01 DAVID BOWIE : „A Reality Tour“

02 JOHNNY CASH: „Man In Black“

03 THE CLASH: „Live Revolution Rock“

04 LEONARD COHEN: „Live In London“

05 BOB DYLAN: „The Other Side Of The Mirror“

06 Eurythmics: „Peacetour“

07 FALCO: „Donauinsel Live“

08 DIE FANTASTISCHEN VIER: „Heimspiel“

09 BILLY JOEL: „Live At Yankee Stadium“

10 OZZY OSBOURNE: „Live At Budokan 2002“

11 SIMON & GARFUNKEL: „The Concert In Central Park“

12 THE HIGHWAYMEN: „Live“