Bruce Cockburn – Life Short Call Now

Der Kanadier hat immer ein großes Herz gehabt. Aber jetzt, da sich die Jahre zum schon lange weißen Haar noch tiefer ins Gesicht mit der ewigen Nickelbrille gefurcht haben, ist es womöglich noch ein Stück gewachsen. Die Zeit, singt Bruce Cockburn jedenfalls beschwörend in dem gut sechsminütigen, Mantra-ähnlichen Epilog „To Fit In My Heart“, sei zu groß, um in den Kopf au passen, und Gott zu groß, um in einem Buch Platz zu finden. Aber „Nothing’s too big to fit in my heart.“

Vorne brennt ein Telefon, hinten blitzt der Feuerschweif einer Kugel, die gerade durch die Erdkugel gejagt wird. Auch auf seinem 28. Album (sagt die Firma, wir haben nicht mitgezählt) sieht ein Kopfmensch mit heißem Herzen und natürlich auch wieder dahin, wo es eher herzlos zugeht. „This Is Baghdad“ ruft Cockburn in die Wüste und reimt dazu leider „gun“ auf „sun“, und „play“ (die Kinder!) auf „decay“. Es sind andere Songs, die bleiben werden, jenseits der großen, hehren Sache. Das tröstliche „See You Tomorrow“. „Different When It Comes To You“, ein kleines, reifes Liebeslied. Der paradoxe Shuffle „Slow Down Fast“ mit flinken Binnenreimen und wachen Alliterationen. Der Abgesang „Beautiful Creatures“ greift, tja, ans Herz, wenn Cockburn mit Kopfstimme klagt. Vor allem aber „Mystery“, feierlich und erhaben, wie eines dieser Traditionais, die schon immer da waren. Ron Sexsmith singt die zweite Stimme.

Wie überhaupt „Life Short Call Now“ – toller Titel, Song nicht ganz so toll – weder mit Gästen (Ani Di Franco, Hawksley Workman) noch mit musikalischen Reizen geizt. Bläser-Impressionen, schwebende Chöre, Percussion-Akzente, Keyboard-Arsenale, Streichorchester-Zuspitzungen. Aus dem Vollen geschöpft, streckenweise üppig. Überladen wirkt es fast nie, weil Cockburn den Kern seiner Sache, die Akustik-Gitarre, nie aus den Augen verliert und immer wieder klar in den Raum stellt, wie voll er sonst auch sein mag. Nachdem alles gesagt ist, was mit Worten gesagt werden kann, entlässt uns Bruce Cockburn mit der schlafwandlerischen Sehnsucht des Instrumentals „Nude Descending A Staircase“ in die Nacht. Oder in den Morgen. Oder ins Nirvana. Die Reise zum Herzen endet nie, wie groß oder klein es auch sein mag.

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