Captain Beefheart – Doc At The Radar Station

Dass jetzt die kompletten Virgin-Aufnahmen der Jahre 1974 bis 1982 in einem Rutsch als Remasters wiederveröffentlicht wurden, ist außergewöhnlich genug. Komplett auch einschließlich „Unconditionally Guaranteed“ (2,0), „Bluejeans & Moonbeams“ (1,5) und dem raren Mitschnitt „Live In London – Drury Lane ’74“ (2,0), die alle absolut nicht zu seinen bedeutendsten Werken zählen. Überhaupt mag ja angeblich, meinte kürzlich der „Guardian“, niemand mehr Captain Beefheart hören.

Nach dem mehr denn je rock’n’rollenden „The Spotlight Kid“ und „Clear Spot“ mit Klassikern von einsamer Größe wie „Big Eyed Beans From Venus“ schwächelte der gute Captain eine ganze Weile. „Unconditionally“ brachte ihn tatsächlich unter den Mainstream-Verdacht, der bei den beiden letzten Reprise-LPs so lachhaft gewesen war. Beim „New Electric Ride“ schlüpfte er fast in die Rolle eines Crooner. Nie raffte sich Zoot Horn Rollo zu einem so genialen Slide-Solo auf wie bei besagtem Song. Mit einer neuen adhoc zusammengestellten Band und ein paar Studiomusikern (seine langjährigen Freunde hatten ihn frustriert verlassen, Geldnöte und die Tatsache, dass sie nie Credits als Co-Autoren bekommen hatten, waren nur ein paar wenige gewichtige Gründe) in ganzen zwei Tagen aufgenommen, sorgte „Bluejeans & Moonbeams“ für entgeisterte Reaktionen bei der A&R- wie der Presseabteilung von Virgin Records. Da war man erklärtermaßen ganz auf „progressiv“ gestimmt, und so klang hier allenfalls ganz entfernt „Twist Ah Luck“. Kommerzielleres Balladen-Werk als den Titelsong oder „Further Than We’ve Gone“ hat er nie aufgenommen. „Observatory Crest“ war richtig nette Popmusik. Sollte er mit der Idee gespielt haben, es endlich zum großen Popstar zu bringen mit J.J.Cales „Same Old Blues“, dann hätte er das unendlich lässiger rüberbringen müssen. Wer, „Safe As Milk“ im Kopf hatte, wäre nie auf die Idee gekommen, dass das hier mal einer der kompromisslosesten Neutöner im ganzen Rock ’n’Roll war. Der Korrektheit halber muss erwähnt werden: Auch der Captain Beefheart dieser Jahre hat unter Kollegen glühende Bewunderer, die manche Songs dieser Zeit für ganz groß befinden.

Bestenfalls nett progressiv waren die mit der Live-CD dokumentierten Konzerte der England-Tournee. Von dem zwei Jahre später von Frank Zappa produzierten „Bit Chain Puller“ fanden umgehend Bootlegs den Weg aus dem Studio zu Sammlern. Das ist heute noch rarere Ware als die Proben zu „Trout Mask Replica“, die dann vor ein paar Jahren doch auf dem sündteuren Box-Set „Grow Fins“ publik gemacht wurden. Das auf den Zappa-Sessions basierende „Shiny Beast (Bat Chain Puller)“ (4,5) war ein wider alle Erwartungen überwältigendes Comeback, an alle möglichen kreativen Höhenflüge erinnernd. Humorvolle Titel zierten wunderbare Kompositionen wie „When I See Mommy I Feel Like A Mummy“, und ganz große Klasse bewies die neueste, durch Jazz-Erfahrungen nicht dümmer gewordene Magic Band beim Titelsong oder auch „Suction Prints“. Vielleicht das Beefheart-Album für alle, die man elegant und problemlos davon überzeugen möchte, wie groß der Mann war.

Dann kam das sperrigere „Doc At The Radar Station“, das eigentlich in jeder seriösen Liste der hundert besten LPs aller Zeiten auftauchen müsste, es aber nie in die schafft, weil dann im Zweifelsfall doch wieder „Trout Mask Replica“ erste Wahl ist. Mit Songs wie „Making Love To A Vampire With A Monkey On My Knee“, „Brickbats“, „Sue Egypt“ oder „Dirty Blue Gene“ sollte man ab und zu Gehörgänge und Gehirn durchpusten lassen. Dann entdeckt man auch die Ohrwurmqualitäten von „Hot Head“!

Für „Ice Cream For Crow“ (4,0) bekam er ein letztes Mal von Warner Bros, vier Wochen Probenzeit zugestanden. Das knüpfte dort an. wo „Safe As Milk“ begonnen hatte: beim Delta-Blues. Manchmal klang das auch ein wenig nach Zappa-Parodie wie „Hey Garland, I Dig Your Tweed Coat“, war aber irgendwo mehr Hommage. Und spätestens hier kann man nicht überhören, dass der Captain zwar ein gestrenger Zuchtmeister all seiner Magic Bands, aber auch ein großer Komiker war. „Ink Mathematics“ beweist es schlagend. Endlich prima remastered, kommt da große Freude auf. Bei „Shiny Beast“ war beim ersten US-CD-Remake glatt ein technisch etwas defektes Band verwendet worden! Sehr bedauerlich nur ausgerechnet die absurd blässlichen Farben des von ihm gemalten Covers jetzt und das Fehlen der Songtexte wie auch dieser etwas Picasso nachempfundenen Zeichnung von Mr. Van Vliet, die das US-Plättchen zierten.

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