DAMON ALBARN & THE HEAVY SEAS Rivoli Ballroom, London :: Zwei Jugendliche mit Fußbällen gehen am Südlondoner Rivoli Ballroom vorbei und rufen den dort Schlange stehenden Menschen im besten Alter ein spöttisches „Woo-hoo!“ zu. Das ist gemein und nicht ganz gerecht. Denn Damon Albarn, der sein Set mit der verdichteten Schwermut von „Lonely Press Play“ und „Everyday Robots“ beginnt, hat zu Recht beschlossen, dass die Londoner Premiere seines Solo-Programms auch sehr gut ohne die Gassenhauer der 90er-Jahre auskommen wird. Hier ist nämlich jene Sorte wissender Hardcore-Fans versammelt, für die selbst die „La-la-las“ am Schluss des „History Song“ aus dem „The Good, The Bad &The Queen“-Album schon als chortauglich durchgehen. Ein paar Gorillaz-Songs (mit Kano als Rapper in „Clint Eastwood“), die solo am Klavier vorgebrachten Blur-Nummern „Out Of Time“, „This Is A Low“ und die obskure alte B-Seite „All Your Life“ sind schon das Höchste, was es da an Populismus braucht.

Vor allem aber kann Albarn sich auf die Heavy Seas, seine schlicht phänomenale junge Backing-Band verlassen: Einerseits sind da der stoische Keyboarder Mike Smith und der in der KlonFabrik aus den allerbesten Genen von Keith Richards und Pete Townshend destillierte Gitarrist Jeff Wootton, anderseits Gitarrist/Bassist Seye in einem scharfen, orangefarbenen Anzug, rhythmisch aufs Engste verwachsen mit allem, was Schlagzeuger Pauli The PSM gerade einfällt. Jener springt in besonders enthusiastischen Momenten (also quasi ständig) grinsend meterhoch vom Hocker, ohne je einen Beat zu verpassen. Sogar „Three Changes“ und „Kingdom Of Doom“ rocken dabei schockierenderweise noch ein Stückchen mehr als einst bei The Good, The Bad &The Queen in den Händen von Übervater Tony Allen.

Albarn, selbst ziemlich herausgeputzt samt Krawattennadel, lässt sich von der virtuosen Spielfreude seiner Sidekicks in „Hollow Ponds“ und „Poison“ (aus dem Projekt Rocket Juice & The Moon) zu von ihm noch nie gehörten quirligen kleinen Klaviersoli hinreißen. In „Kids With Guns“ schnappt er sich gar eine Telecaster zum Ausrocken. Vor allem aber neues Material wie die in der Studiofassung eher trostlosen Drogenerfahrungs-Berichte „You And Me“ und „Photographs (You Are Taking Now)“ sowie „Heavy Seas Of Love“ und das auf Platte gefährlich an Disney-Ethno grenzende „Mister Tembo“ gewinnen in den neuen Arrangements derart an Verve und Charme, dass man sich wünscht, Albarn hätte sein Solo-Album gleich mit dieser Band eingespielt. Blur-Fans werden das wohl nicht so gerne hören, aber hier eröffnet sich ein vielversprechender Weg weg von den unausgegorenen Nebenprojekten und halbherzigen Reunions. Damon Albarns Zukunft liegt bei den Heavy Seas. ROBERT ROTIFER

Gute alte Schule

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