„Das Schlangenmaul“

von Jörg Fauser wird gerade wieder aufgelegt als Band 7 der sorgfältigen und sehr schönen Fauser-Werkausgabe. Die kann man unbedingt empfehlen, diesen Roman leider nicht. Der Plot ist zu schwammig erzählt, es fehlt an plausiblen Motivationen, ein paar Action-Szenen lesen sich wie schlimmste Cotton-Kolportage, die Sprache kommt allzu phrasensatt daher (wenn etwa beim „Umklammern“ der Walther „die Knöchel weiß hervortreten“, hat der Lektor gepennt) und auch zu billig, ist längst nicht die heruntergekommene Poesie etwa vom „Schneemann“. Vor allem blickt man bis zum Schluss nicht richtig durch, wer hier eigentlich genau was zu verantworten hat. Härder, der ehemalige Schmieren-Journalist und nunmehr „Bergungsexperte“, soll ein Mädchen wiederfinden, das in einer Schlangen-Sekte untergetaucht ist und dort gefügig gemacht wurde, ein ganz böser Gentleman-Schurke hat seine Hände im Spiel, ein korrupter Politiker ist auch irgendwie beteiligt, und die Mutter des Mädchens erst recht. Der archetypische Thriller-Generalverdacht, demzufolge die Welt ein stinkender Sumpf ist und die Politik bis zum Hals mit drinsteckt, wird hier oft geäußert und besprochen, aber nicht wirklich konkretisiert. Was dieses Buch allerdings liefert, ist ein sinistres Porträt Berlins in den frühen 80er Jahren. Ist auch kein Wunder, schließlich hat er hier die Nächte weg gesoffen.

„Mein Leben als CIA“ (Urs Engeler Editor, 19 Euro) von Harry Mathews soll eine „Chronik des Jahres 1973“ sein und ist jedenfalls für ein Buch des einzigen englischsprachigen Mitglieds des Pariser Avantgarde-Vereins Oulipo ziemlich straight, das heißt ohne große formalistische Sperenzchen weg erzählt. Aber vielleicht übersehe ich auch einfach das von den gallischen Sprachexperimentatoren geforderte mathematische Konzept, das möglicherweise auch diesen eleganten, souverän erzählten und durchaus spannenden autobiografischen Roman untergründig strukturiert.

Mathews lebt schon seit geraumer Zeit in Paris, und in der dortigen Kultur-Szene hält sich das von ihm hartnäckig geleugnete Gerücht, er sei ein CIA-Agent. Als es wieder einmal vermeintliche Beweise durch die französische Spionageabwehr gibt, dreht er einfach den Spieß um und spielt ganz offensiv mit. Seine Schriftstellerkarriere knickt gerade ein, und da er ein bescheidenes Vermögen geerbt hat und sich um seine Subsistenz also keine Sorgen zu machen braucht, erklärt er kurzerhand sein Leben zur Fiktion. Als Leser traut man ihm nie so ganz über den weg. weil dieses fingierte und dann auch bald immer abenteuerlichere Leben – er gerät zwischen die politischen Fronten, wird von rechtsreaktionären Kreisen ohne sein Wissen instrumentalisiert und muss schließlich aus Frankreich flüchten – ja ebenso gut gleich am Schreibtisch ersonnen sein könnte und vermutlich auch wurde. „Mein Leben als CIA“ lässt sich folglich als ironische Etüde über das Schreiben einer Autobiografie lesen und zugleich als Oulipo-Version eines Agenten-Thrillers. Oder vielleicht auch noch ganz anders.

„In der Misosuppe“ (Kiepenheuer & Witsch, 8,95 Euro) von Ryu Murakami ist nach „69“(Suhrkamp) sein zweites auf Deutsch übersetztes Buch und wie der an dieser Stelle bereits empfohlene Vorgänger ein flüssig erzählter, elegant komponierter Kurzroman. Thematisch und auch stilistisch sind die beiden Texte allerdings so komplett verschieden, dass man von der Wandlungsfähigkeit des Autors durchaus beeindruckt sein darf. Liefert er in „69“ eine sentimentalisch-witzige Jugendreminiszenz an die Spätsechziger-Stundenrevolte, die als komplett harmlose Schrumpfform sogar nach Japan hinüberschwappte, nähert er sich in diesem Buch einem psychopathischen Schlitzer – und er kommt ihm sehr nahe. Kenji zeigt als „Nightlife-Guide“ ausländischen Touristen die Tokioter „Unterhaltungsindustrie“, also vor allem die Puffs vor Ort. Dann bucht ihn der Amerikaner Frank. Kenji weiß sofort, dass etwas mit ihm nicht stimmt, aber da er wie die Gesellschaft, in der er lebt, ziemlich gut ist im Erdulden, führt er ihn trotzdem durch die Stripbars, und der Irrsinn kann beginnen. Frank hat schon in seiner Kindheit gemordet, war ständig in psychiatrischer Behandlung, wurde schließlich sogar lobotomiert. Aber genützt hat es nichts, wie Kenji dann mit eigenen Augen sehen muss.

Anders als Bret Easton Ellis beherrscht Murakami die Ökonomie des Splatter. Und indem dieser Gerade-nicht-mehr-Teenager ein Porträt des Massenmörders zeichnet, beschreibt er indirekt auch sich selbst – und vielleicht auch seine ethisch verunsicherte Generation. Aber der Roman legt das nicht nahe, er kennt die eigenen Grenzen – und auch das unterscheidet ihn positiv von „American Psycho“-, schnippst nicht ständig streberhaft mit den Fingern, weil er gleich auch noch die eigene Interpretation mitliefern will.

„Der unersättliche Spinnenmann“(Hoffmann und Campe, 17,95 Euro) von Pedro Juan Gutierrez beschreibt das dreckige, elende, verarmte, von Versorgungsengpässen gebeutelte und entsprechend zynische gewordene Havanna, das weder die kommunistische Partei noch die ausländischen Reisegesellschaften wahrhaben wollen. Ein alternder Schriftsteller und knallharter Macho schleppt sich hier durch die Stadtlandschaft und hadert mit seiner Mitwelt, vor allem mit den allzeit bereiten Frauen, die alle nur sein Bestes wollen, und Geld ist das nicht. Gutierrez‘ Roman zerfällt in kleine, fast handlungslose, betont kunstlose Alltagsskizzen, die den Staub, der auf der Stadt liegt, gut einfangen. Aber das ständige Gewedel mit seinem Gemächt ist nur zum Lachen, und anders als bei Bukowski, den er gelegentlich bis zur Selbstaufgabe hinterher wichtelt, gibt es hier keine Ironiehinweise. Noch unverzeihlicher ist seine grenzenlose Eitelkeit.

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