David Gray – WhiteLadder
Er glaube an „die Macht des Wortes“, ließ David Gray 1994 verlauten, als er mit seinem zweiten Album „Flesh“ erstmals in diesen Breiten vorstellig wurde. Zwei Platten, eine fette Karriere-Krise und eine auf den ersten Blick überraschende Erfolgsgeschichte auf Ibiza (Club-Hit) und Irland (Platin-Verkäufe) später, dürfte er erkannt haben, dass die Worte erst dann wirklich Macht entfalten können, wenn der Sound stimmt, der sie transportieren hilft.
Der Worte ist der in Manchester geborene, in Pembrokeshire aufgewachsene, in London residierende Songschreiber nach wie vor mächtig, doch betreibt er auf „White Ladder“ die Wiedergeburt seines (Kunst)-Handwerks aus dem Geist von Sampling und Computer. Gray fürchtet diese Geister nicht, er flirtet mit ihnen wie ein neugieriger Lover, der sein bestes Stück (seine Akustik-Gitarre) noch einmal neu verführt wissen will. Bereits erste Song macht deutlich, wie und weshalb das funktioniert. Und warum die Erfolgsallianz zwischen Balearen- und Grüner Insel doch nicht so überraschend ist. „Please Forgive Me“ hat die aufreizende, selbstvergessene Monotonie eines Club-Tracks, der renommierte Remixer um den Rest-Schlaf bringt – und gebiert doch die unverstellte Emotionalität des verzweifelt Liebenden, die Freunde einer authentischen Song-Handschrift schätzen.
So radikal verfährt der eindringliche Vokalist Gray nicht immer. „This Year’s Love“ ist eine ganz und gar klassische Piano-Ballade, und in Songs wie „My Oh My“ und „We’re Not Right“ friert er den Kontrast ein zwischen pluckerndem Backing und schönen kleinen Soul-Wunden. Insgesamt aber öffnet ihm die Abkehr von der Dynamik des Band-Formats, die Hinwendung zur Statik und Symmetrie neuer Technologie neue Freiräume – nicht zuletzt, weil er so gezwungen ist, seine Texte noch weiter zu verdichten. Songs wie „Silver Lining“ wachsen so zu kleinen Mantras der Selbstvergewisserung. Und am Ende schmilzt dann aller Zweifel, alles Hadern in der Magie des Moments. „Sail away with me honey, I put my heart in your hands. Sail away with me honey, now, now, now…“ Die Macht des Wirtes, sie ist auch die Macht des Augenblicks.