Delta Blues – The Life And Times Of The Mississippi Masters Who Revolutionised American Music :: Klagender Ton in Tutwiler

Im Zwielicht neuerer revisionistischer Geschichtsschreibung, wonach es eine Mär sei, dass der Blues in den Baumwollfeldern von Mississippi geboren wurde, malt Ted Gioia sein klassisches Historiengemälde auf einer gewaltigen Leinwand in starken, leuchtenden Farben. „Delta Blues – The Life And Times Of The Mississippi Masters Who Revolutionised American Music“ heißt sein 450 Seiten starker Wälzer, in dem der Autor das Leben und Wirken besagter Meister nicht nur einzeln verfolgt und beschreibt, sondern zueinander ins Verhältnis setzt, zusammenführt und auseinander dröselt. W.C.Handys berühmte Erscheinung nach einem Nickerchen an der Bahnstation von Tutwiler, Mississippi im Jahre 1903, gilt auch Gioia als Kristallisationspunkt für die Entwicklung eines Stils, dessen tiefreichendste Wurzeln in Afrika lagen, in Handys Worten: „A lean, loose-jointed Negro had commenced plunking a guitar beside me while I slept.“ Dazu sang der Mann in „klagendem Ton“ über sein schweres Los unter dem „Kreuz des Südens“. Handy war wie elektrisiert, prägte sich das hypnotisch-harmonische Gerüst, den stoischen Rhythmus und das primitive Versmaß des Gehörten ein und schrieb daraus ein Arrangement, das er von seinem Orchester bei einer Tanzveranstaltung spielen ließ. Der Zuspruch des Publikums führte zu weiteren Adaptionen und bald waren „plantation songs“, wie Handy sie nannte, fester Bestandteil seines Repertoires. Während der proper komponierte Blues sogar bei Gesellschaften im Norden Gefallen fand, ging es den einzeln und oft einsam vagabundierenden Bluesmännern weiter südlich ums Überleben, erst recht dann unter den Bedingungen der großen Depression. Gioia stellt ihre Porträts in einen Kontext, erhellt Mythen, erklärt Musik. Den Biografien von Robert Johnson, Muddy Waters oder Howlin‘ Wolf fügt der Autor nichts Neues hinzu, doch gelingt es ihm, sie miteinander zu verknüpfen. Bis hin zu B.B.King, der dem Blues Kreide zu fressen gab und ihn schließlich im Weißen Haus und im Vatikan salonfähig machte. (ca. 30 Euro)

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