Dem Himmel so fern von Todd Haynes :: (Start 3.3.)
Sie ist perfekt. Ihre Frisur, ihr Kostüm, ihr Auftreten und vor allem ihr Lächeln. Cathy Whitaker (Julianne Moore) strahlt beständig mit offenen, roten Lippen, die niemals anzüglich wirken. Sie hat mit Frank (Dennis Quaid) einen sehr erfolgreichen Gatten, um den sie alle Frauen beneiden, zwei wohl geratene Kinder, ein Dienstmädchen sowie ein Haus mit gepflegtem Garten. Cathys Existenz ist so mustergültig, dass sie sogar von der örtlichen Frauenzeitschrift in Hartford, Connecticut interviewt wird und bescheiden meint, sie führe nur „ein Leben wie jede andere gute Mutter und Ehefrau“.
„Dem Himmel so fern“ von Regisseur Todd Haynes spielt in den 50er Jahren, dem Nachkriegsparadies und Jahrzehnt sorgloser Sittlichkeit. Allerdings ist es kein Film, der allein jene Periode rekonstruiert, sondern vielmehr deren Filme in der „Tradition der mütterlichen Melodramen“, wie es Haynes nennt. Aus den Werken von Douglas Sirk, Vincente Minnelli und anderen hat er stilgerecht eine tragische Geschichte modelliert, die das ganze Genre kommentiert – und zugleich ohne Ironie sublim unterläuft.
Cathy symbolisiert als zentrale Figur die Haltung jener Filme, die zwar äußerst schmalzig, kitschig und naiv waren, aber thematisch durchaus ein wenig an der deanen Oberfläche der konfektionierten, selbstgefälligen Wohlstandsgesellschaft von damals kratzten. Geradezu devot nimmt sie Frank jede Last ab, stellt keine Fragen und hat auch sonst niemandem gegenüber Argwohn, anders als ihre beste Freundin Eleanor (Patricia Clarkson), eine laute Spötterin. Cathy lächelt auch nur wie eine Barbie, als ihre Nachbarinnen darüber klatschen, dass sie in der Zeitung als „freundlich zu Negern“ beschrieben wird, weil sie ein wenig mit ihrem schwarzen Gärtner Raymond (Dennis Haysbert) geplaudert hat. Die Katastrophe schleicht sich mit kleinen Hinweisen in den Film: Ein Bettler am Straßenrand, etwas Schnaps im Bürokaffee des gestressten Frank, eine Bar in der Seitenstraße. Da Frank immer später nach Hause kommt, will sie ihm eines Abends das Essen Leinwand ins Büro bringen – und ertappt ihn in inniger Umarmung mit einem Mann. Frank schwört, er werde für Cathy und die Kinder mit Hilfe eines Psychiaters „die Krankheit kleinkriegen“. Doch die Fassade ist rissig geworden, die Kinder reagieren irritiert, und Cathy baut ohne große Gedanken eine Freundschaft zu Raymond auf, der sich als sehr feinfühlig und eloquent erweist. Das nährt in der Kleinstadt bösartigen Klatsch, von Belästigung und Ehebruch wird gemunkelt. Und je mehr Cathy die Vorwürfe zurückweist, sogar auf jeden Kontakt mit Raymond verzichtet, desto stärker fühlt sie sich zu ihm hingezogen – zu einer Liebe, Verständnis und Offenheit, die hier nicht ins makellose Katalogbild von den Fünfzigern passt.
Haynes hat einen ungemein klugen, kunstvollen und konsequenten Film gedreht, quasi das Übermelodram, das trotz der frapierenden Künstlichkeit, einer zuweilen spürbaren intellektuellen Distanz zum Sentiment und all die in diesem Rahmen denkbaren Problem menschlicher oder gesellschaftlicher Art berührt. Auch wenn man begeistert von den offensichtlichen Referenzen und subtilen Metaphern ist oder sich anfangs über Dekor, Gesten und die gestelzten Dialoge amüsiert, zielt es Haynes mit totaler humanistischen Ernsthaftigkeit auf unsere Krokodilstränen ab. Brillant sind zudem der Eindruck von Technicolor und die präzise abgestimmten Farben. Hier passt die Bluse zur Couch, der Anzug zum Wagen, das Tuch zum Garten und der verschwenderisch schön gefilmten Natur. Selbst kleinste Farbwechsel beherrschen hier die jeweilige Gefühlslage bis zum bittersüßen Ende dieser Tage.