Der menschliche Makel: Auf „Blood Money“ und „Alice“ herrscht Waits über seine Welt

Man wird diesen beiden Alben drei Dinge vorwerfen: Kunsthandwerk. Klischee. Und Wiederholung. Das sind die drei Dinge, die wir als Einwände gegen Tom Waits seit 15 Jahren kennen, seit er ausgerechnet mit „Down By Law“ einigermaßen bekannt wurde. Da hatte er seine Kehre Auf „Blood Money“ und „Alice“ herrscht Waits über die Welt schon vollführt: 1983 verwandelte er sich vom trunkenen Troubadour zum hemmungslos übertreibenden Cabaret- und Blues-Schauspieler, und das war dem Cover von „Swordfishtrombones“ auch anzusehen. Die großartige Platte hörte kaum einer, aber Coppola, Jarmusch und Wilson setzten Waits doch durch.

An die Polyphonie und die Weimarer Assoziationen von „Swordfishtrombones“ erinnern die Arbeiten „Alice“ und „Blood Money“, die nach den eher bodenständigen, unmittelbaren „Mule Variations“ verspielt, melodieselig und unerbittlich wirken. Natürlich hat Waits hier weder „Alice im Wunderland“ noch „Woyzeck“ stringent nachkomponiert, so wenig wie sein „Black Rider“ der „Black Rider“ war (und schon gar nicht „Der Freischütz“). Vielmehr variiert er virtuos Motive musikalisch oder thematisch – seines Universums, das er von ganz unten her denkt, aus dem Schmutz und dem Elend und der gequälten Kreatur.

Die wird von Woyzeck wie von sonst niemandem verkörpert Und auch die jähe, brutale Liebe – Waits‘ einzige Ausflucht – widerfährt Büchners Schmerzensmann mit allen Wonnen und Qualen. In „Blood Money“ ist Tom Waits also ganz zu Hause: Songs wie „Misery Is The River Of The World“, „Everything Goes To Hell“ und „God’s Away On Business“, rumpelnd, stampfend und keuchend vorgetragen, sind fast schon Parodien auf seinen Manierismus. Aber sie sind eben auch verteufelt gut instrumentiert. Von den großen Waits-Musikern ist allein Larry Taylor am Bass dabei, der aber ist stets die halbe Miete. Stewart Copeland spielt einmal Schlagzeug. Doch eine Ballade wie „Coney Island Baby“ braucht ohnehin nur Waits.

„Alice“ ist, wie auch anders, etwas versponnener, zarter und luftiger. Allerdings brechen hier das auf deutsch gespuckte „Kommenie Zu Spadt“ („Sei punktlik!“) – offenbar eine Satire – und das Stück „Reeperbahn“ herein: „Now little Hans was always strange/ Wearing women’s underthings.“ Hier beherrscht jemand alle Tricks.

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