Destroyer :: Kaputt

Popmusik, wie man sie tatsächlich noch nicht gehört hat!

Leuchtend weiß ist diese Platte. Zur Abwechslung mal nicht von Kokain und Sneakersohlen, sondern vom Weiß der Anzüge, die man beim Hören oder Machen dieser Musik tragen muss. Vom Weiß der Wolken, in denen die himmlischen Szenarien der Songs womöglich spielen. Vom Weiß der Laken, durch die man in Zeitlupe kullert, während die Nacht draußen schwärzer wird und diese Stimme zu einem spricht, wie aus einem Deckenlautsprecher: schmeichelnd, summend, leicht gelangweilt, nicht ganz geheuer, ein kluger, kühler Mann namens Daniel Bejar aus Vancouver. Ein Sänger und Autor vom Format Costellos und Morrisseys, bei dem man sich langsam echt lächerlich vorkommt, wenn man ihn nach 14 Jahren Karriere noch als Geheimtipp anpreist.

Irgendeinen Grund wird es schon haben, dass sein neuntes Album in Deutschland nur als Download erscheint, ausgerechnet die Platte, auf der ihm die Unglaublichkeit gelingt, eine Popmusik zu erfinden, wie man sie noch nicht gehört hat: eine Art Lounge-Sound aus Melancholie und Hohn, mit den Instrumenten von Sade, Roxy Music und Mr. Mister, bei dem die Berieselung aber wie Hagel prasselt und der Fluff schillernde Klumpen wirft. Plötzlich findet sich die gewöhnlich als Beiwerk gedemütigte Echo-Trompete in der Rolle der Leadgitarre wieder, und zu allem menschenmöglichen Überfluss lässt der Destroyer seine kongenial kryptischen Selbstgespräche – über die Liebe, die Großstadt und den Niedergang der westlichen Kultur – dieses Mal auch noch in die herrlichsten Hooks seiner Songschreiberlaufbahn auslaufen: Wie er in „Suicide Demo For Kara Walker“ am Ende „Now that you got it all … wrong“ singt, unisono mit dieser wundervollen Backgroundsängerin namens Sibel Thrasher, das ist so irrsinnig schön und vernichtend zugleich, dass man plötzlich wieder eine greifbare Hoffnung für die Zukunft des Pop sieht. Zumindest solange hübsche Mädchen derart fantastische Musik auch auf Facebook posten, und, mein Gott, mittlerweile tun sie das. (Merge/iTunes) Joachim Hentschel

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