Devendra Banhart :: Nino Rojo

Ein Käfer kommt gekribbelt, Devendra Banhart singt ihm ein Schlaflied, kein großes Poem, keine Elegie. Banharts Lieder klingen oft, als ob er sich einfach nur auf der Stelle bückt und sie pflückt. Einer, der mit 23 Jahren Folk-, Blues-, Ragtime-Stücke so schreibt, wie man eigentlich an die sprichwörtlichen kleinen Pop-Songs herangeht: eine gute Idee, ein Holzgitarren-Riff, eifrig gezupft. Der Gesang als echte, bedeutungstragende Performance mit Jaulen, lautem Atmen, Tremolo-Beben, retardierendem Moment. Es ist schwer, sie alle auseinanderzuhalten, weil sie so klein sind und so viele Brüder und Schwestern haben.

Noch mal 16 Lieder aus Banharts American Recordings, die er bei Tag, Nacht, Vogelzwitschern und Grillenzirpen auf einem Stuhl in einem Wohnzimmer an der Grenze zwischen Atlanta und Georgia gemacht hat. Die ersten 16 waren vor vier Monaten auf dem Album „Rejoicing In The Hands Of The Golden Empress“, nennenswerte Unterschiede gibt es nicht Man darf über „Nino Rojo“ wieder sagen, dass man die Bänder in einer hundert Jahre lang verschlossenen Kiste hätte finden können, dass man kaum erraten könnte, ob Banhart ein Weißer oder Farbiger oder Inder oder Indianer ist bis man ihn sieht mit seinen schlaksigen Jeans und dem fusseligen Schwarzbart. Absolut unüberraschend, dass er von liberaleren Roots-Freunden geliebt wird für seine überlieferten Country-Folk-Zupfmuster, für die New-Orleans-Anspielungen, den vereinzelten Basement-Tapes-Band-Sound (alles später in New York dazugespielt). Devendra Banhart ist extrovertiert und niedlich, auch ein Indie-Darling, weil er von der tanzenden Krabbe singt und: „Cook me in your breakfast and put me on your plate/ Cause you know I’ll taste great“ Womöglich wird er noch sieben oder acht solche Platten machen, egal, er ist ein erfüllter Traum, die lapidaren Lieder werden sogar Ohrwürmer.

Das Gewaltigste ist jedoch, wie er – das gilt auch für seine Genossen aus der neuen Frisco-NY-Folkszene – einem beim Hören das Zeitgefühl komplett durcheinanderbringt, wie er das Rätsel aufgibt warum scheinbar authentische Musik außerirdischer klingt als hochproduzierter Pop. Banhart tut so naiv, aber man hört da noch etwas unendlich Dunkles, Böses, Schönes. Der einzig gute Grund, jemals eine Platte aufzulegen.

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