Dexys  :: One Day I’m Going To Soar

Der legendäre Tragöde Kevin Rowland ist zurück! Mit famosem Bekenntnis-Soul zwischen Al Green und Van Morrison, mit Pauken und Bläsern und Geigen satt angerichtet. Vor 30 Jahren war der notorische Sichselbstimwegesteher mal kurz Weltstar: Sein größter Hit „Come On Eileen“ wurde Nummer eins in England und Amerika, doch der Choleriker Rowland fühlte sich fremd in der Popwelt und stritt mit der Plattenfirma und seiner Gang Dexys Midnight Runners, die den Ruhm genießen wollte.

1999 ging Rowland dann, nach Drogensucht, Bankrott und Orientierungslosigkeit, mit seiner Coverversionen-Comeback-Platte „My Beauty“  im lasziven Damenoutfit spektakulär baden. In Dessous wollte er seine „unterdrückte weiche sexy Seite“ ausleben. Die Öffentlichkeit war nicht amüsiert.

Mittlerweile kann er geläutert über seine Wirrungen sinnieren: „Es war kein Spaß, ich zu sein.“ Deshalb hatte er sich schon 2003 wieder Beistand besorgt und seine Truppe reaktiviert. Jahrelang ging er mit Song-Ideen schwanger, fühlte er sich aber erst jetzt altersweise genug für seine aktuelle Celtic-Soul-Vision, 27 Jahre nach dem verkannten letzten, epischen Dexys-Album „Don’t Stand Me Down“.

Den juvenilen Sturm-und-Drang-Bandnamen hat er inzwischen zu Dexys verkürzt. Schließlich ist Rowland 58 und sieht keinen Tag jünger aus. Seine Themen bleiben aber die bewährten. Die Entbehrungen seiner irischen Vorfahren und seine Entwurzelung beklagt er wie in einem alten John-Ford-Drama, weil er auch „der Idee irischer Sentimentalität“ verpflichtet ist. Kindheitsträume von einem Leben „voller Musik, Kleidung, Schönheit“ zerplatzen durch einen dieser melodramatischen, umstürzlerischen Breaks, auf die Rowland ein Patent hat. Beziehungs-Obsessionen verhandelt er mit seiner Duettpartnerin Madeleine Hyland, einer Theater-Schauspielerin, die sonst vorwiegend mit Shakespeare unterwegs und dadurch mit einem Blut- und Tränen-Kosmos vom Kaliber Rowlands vertraut ist. Und als Befreiungsschlag bleibt am Ende der ekstatische Northern-Soul-Knaller „Free“, eines der inbrünstigsten Dexys-Stücke überhaupt.

Trotz des Kultes, der um den genialischen Egomanen Rowland gestrickt wird: Er hat schon immer alle wichtigen Dexys-Songs mit wechselnden Co-Autoren geschrieben. Heute sind das Keyboarder Mick Talbot, 1980 kurz ein Midnight Runner und später Style-Council-Partner, Pete Williams, Bassist der ersten Dexys-Besetzung, und Kevins Seelenbruder Big Jim Paterson, der auf allen drei Dexys-Alben Posaune blies und sämtliche Rowland-Songs auf der 1982-Hit-LP „Too-Rye-Ay“ mitkomponierte. Denn für den Heimkehrer Paterson, der wegen des Suffs eigentlich vor 15 Jahren mit der Musik abgeschlossen hatte, war diese Band schon immer die einzige, für die er „weinte, blutete und Verbrechen begangen hätte. Ein religiöses Erlebnis“. Bereits Bekehrte können deshalb die Bewertung beruhigt nach oben aufrunden. 

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